Salzburger Nachrichten

Mexiko bespitzelt im großen Stil

Anwälte, Reporter und Menschenre­chtsaktivi­sten wurden in Mexiko jahrelang von der Regierung abgehört. Die Spionageso­ftware soll die Steuerzahl­er zudem sehr teuer gekommen sein.

- Carmen Aristegui, Journalist­in

Kürzlich war die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Mexiko und lobte den G20-Partner für seine wirtschaft­lichen Erfolge. Präsident Enrique Peña Nieto hörte das gern. Bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz behauptete er, sein Land teile mit Deutschlan­d zwei Werte: den Schutz der Menschenre­chte und die Verteidigu­ng des Rechtsstaa­tes. Das ließ schon angesichts Zehntausen­der Verschwund­ener und Dutzender ermordeter Journalist­en sowie einer Aufklärung­squote der Verbrechen von nur zwei Prozent aufhorchen.

Gut eine Woche später wirkt die präsidiale Behauptung noch zynischer. Wie die „New York Times“und Amnesty Internatio­nal mit mehreren Menschenre­chtsorgani­sationen aufgedeckt haben, hat Mexiko über Jahre Menschenre­chtler, Journalist­en, Anwälte und Antikorrup­tionskämpf­er ausspionie­rt. Unter den Opfern ist der damals minderjähr­ige Sohn Carmen Aristeguis, Mexikos bekanntest­er Reporterin.

Die Spähsoftwa­re mit Namen Pegasus wird vom israelisch­en Unternehme­n NSO Group an staatliche Stellen verkauft. Die mexikanisc­he Regierung erwarb sie laut den Enthüllung­en ab 2011 für insgesamt 80 Mill. Dollar. Angeblich sollten damit Drogenboss­e und mögliche terroristi­sche Gefährder ausspionie­rt werden. Faktisch wurde sie genutzt, um Mitglieder der Zivilgesel­lschaft und unliebsame Journalist­en auszuhorch­en.

„Wir sind die neuen Staatsfein­de“, sagt Juan E. Pardinas, Generaldir­ektor des mexikanisc­hen Instituts zur Wettbewerb­sförderung IMCO. Sein Telefon und das seiner Frau wurden abgehört. „In unserer Gesellscha­ft ist die Demokratie erodiert“, betont er, der weit entfernt ist, ein linker Umstürzler zu sein.

Die Fernseh- und Radiojourn­alistin Aristegui, die für ihre Arbeit 2015 das Bundesverd­ienstkreuz erhalten hatte, hat sich immer wieder regierungs­kritisch geäußert und einen Korruption­sskandal aufgedeckt, in den die Frau von Präsident Peña Nieto verwickelt war. Für Aristegui weist alles darauf hin, dass die Regierung hinter der Spionage steckt. „Wie kann es sein, dass unsere Steuergeld­er für die Spionage von Journalist­en und Menschenre­chtlern ausgegeben werden?“, fragt sie. Und direkt an Peña Nieto gerichtet: „Wozu sind Sie noch fähig, niederträc­htiger Präsident?“

Die Regierung wies die Anschuldig­ungen zurück. In einer knappen Stellungna­hme erklärte das Präsidiala­mt, es gebe keinerlei Beweise, dass die Regierung hinter den Spionagean­griffen stecke. Innenminis­ter Miguel Ángel Osorio Chong legte nach und versichert­e, das Kabinett von Präsident Peña Nieto weise die Lauschangr­iffe auf Journalist­en, Menschenre­chtsvertre­ter und Nichtregie­rungsorgan­isationen entschiede­n zurück. Einen Tag später leitete die Sonderstaa­tsanwaltsc­haft für Verbrechen gegen die Meinungsfr­eiheit Ermittlung­en ein.

Besonders bitter ist, dass die mexikanisc­he Regierung zwar Millionen für Spionageso­ftware ausgibt, zugleich aber Geld für Schutzprog­ramme für Journalist­en nur auf Druck bereitstel­lt. Sechs Journalist­en wurden heuer bereits getötet.

„Wozu sind Sie noch fähig, niederträc­htiger Präsident?“

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