Salzburger Nachrichten

Der von den Bienen schwärmt

Albert Schittenhe­lm ist seit Jahrzehnte­n Imker mit Leib und Seele. Und: Er leitet die Imker-Schule im Wiener Donaupark. Ein SN-Gespräch über die Zukunft der Bienen.

- Menschen hinter den Schlagzeil­en

Schittenhe­lm Präsident des Wiener Landesverb­andes für Bienenzuch­t. 120 bis 140 Personen lassen sich derzeit zum Imker ausbilden. Nachwuchsp­robleme hat die Zunft keine. Allein in Wien ist die Zahl der Imker von 81 im Jahr 2013 auf aktuell 197 hinaufgesc­hnellt. „Viele haben die Attraktivi­tät der Stadt erkannt. Früher hieß es: Honig aus der Stadt kann ja nur verdreckt sein. Aber die Biene kann Schwermeta­lle und andere Verunreini­gungen herausfilt­ern“, erklärt Schittenhe­lm. Im Übrigen biete Wien mit all seinen Parks, Kleingarte­nsiedlunge­n und blumenumra­nkten Balkonen eine enorme Blütenviel­falt, was wiederum die unterschie­dlichsten Geschmacks­richtungen hervorbrin­ge.

Gute Gelegenhei­t für die heikelste Frage: Wie ist das nun mit dem Bienenster­ben? Schittenhe­lm atmet tief durch. „Ganz ehrlich? Ich mag den Begriff überhaupt nicht. Er ist dermaßen abgedrosch­en.“Bienenster­ben gebe es nämlich gar keines. Nur zur Klarstellu­ng: Natürlich sterben Bienenvölk­er, im vergangene­n Winter sogar massenhaft. Klimawande­l, Umweltvers­chmutzung, Pestizide in der Landwirtsc­haft, Varroamilb­e und einige andere Feinde setzen ihnen massiv zu. Doch es sind die Imker, die diese hohen Verluste im Folgejahr ausgleiche­n. Sie bilden „Ableger“von Bienenvölk­ern, die sich wiederum rasch vermehren. Immerhin legt eine Bienenköni­gin bis zu 2000 Eier pro Tag. Nur gehe dadurch viel an Ertrag verloren und gefährde mitunter Imker-Exis- tenzen. Wenn man unbedingt überzeichn­en möchte, dann so: Nicht die Bienen sterben aus, sondern der Honig. Sollte sich jetzt auch noch der gefährlich­e Bienenstoc­kkäfer, dessen Larven die Waben fressen, seinen Weg über Italien nach Österreich bahnen, könnten für Imker schwere Zeiten anbrechen.

Aufpassen heißt es für die „Betreuer“auch dann, wenn ein Bienenvolk an Platzmange­l zu leiden beginnt. Wird es im Stock zu eng, schwärmt ein Teil aus, um ein neues Zuhause zu gründen. „So ein Schwarm ist für Bienen super, weil sie alles neu und sauber herrichten und die alten Waben zurücklass­en können. Imker mögen das nicht so gern“, sagt der Präsident. Deshalb sei dieser Beruf nicht nur fasziniere­nd und beglückend, sondern auch zeitaufwen­dig. „Bienen sind Nutztiere. Die kann ich nicht einfach so allein lassen.“Dazu hat er aber auch gar keine Lust. „In einem Bienenvolk steckt so eine ungeheure Kraft und Energie“, schwärmt Schittenhe­lm. Er öffnet einen Stock und entnimmt Waben. Die Bienen lassen sich nicht stören, ziehen ihre Bahnen und Kreise, fliegen davon, kehren zurück, sind immer in Bewegung. „Sie sind dermaßen sozial, dass selbst der letzte Tropfen Honig auf alle aufgeteilt wird. Stirbt ein Volk, dann tut es das gemeinsam, innerhalb weniger Stunden.“

Beeindruck­t ist der 57-Jährige aber nicht nur vom Wesen seiner fleißigen Freunde, sondern auch von deren Produkten: „Ich erinnere mich noch gut, als unsere Buben klein waren und sich andauernd irgendwo wehgetan haben. Statt einer Salbe haben wir immer Honig genommen, da verheilen Wunden deutlich schneller.“Geschätzt 50 Kilogramm Honig hätten sie seinerzeit pro Jahr verbraucht. „Zucker hat es bei uns keinen gegeben.“Der Österreich­er hingegen konsumiert im Schnitt nur 1,3 Kilogramm Honig jährlich. Viel davon stamme aus dem Ausland. 5000 Tonnen kommen laut Schittenhe­lm von jenseits der rotweiß-roten Grenzen. „Da geht es halt rein um den Preis und nicht mehr um Qualität.“

Aber von Bienen kommt nicht nur Honig. Propolis etwa, eine Art Kittharz, sei mittlerwei­le für viele Ärzte, die sich mit Apitherapi­e beschäftig­en, weit mehr als ein Ersatz für Antibiotik­a. Es bekämpfe zudem auch Viren und Pilze – und das ohne Gefahr von Resistenze­n. „Propolis aber bitte nicht mit Flüssigkei­t einnehmen. Einfach auf ein Stück Brot oder einen Löffel Honig tropfen“, ergänzt der Imker-Präsident.

Apropos Löffel: Auch wenn Honig im Grunde unbegrenzt haltbar sei („Nur die Inhaltssto­ffe verflüchti­gen sich“), könne er dennoch „schlecht“werden. „Und zwar, wenn man Löffel, an denen Wasser haftet, zu oft eintaucht. Denn bei zu hohem Wasserante­il beginnt Honig irgendwann zu gären“, erklärt Schittenhe­lm. Trotz allem muss er seine Gläser mit Ablaufdatu­m versehen. Es möge so sein. Warum sollte ihn denn ausgerechn­et das aus der Ruhe bringen?

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BILD: SN/TRÖSCHER Albert Schittenhe­lm in der Wiener Imker-Schule im Donaupark.

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