Salzburger Nachrichten

20 Jahre Hype um Harry Potter J. K. Rowlings Vermögen wird auf eine Milliarde Dollar geschätzt

Helmut Kohl war gerade Bundeskanz­ler. Klonschaf Dolly wurde geboren. Und ein Waisenbub mit blitzförmi­ger Narbe und Nickelbril­le schickte sich an, die Macht Voldemorts zu brechen.

- Die Harry-Potter-Bücher wurden in 77 Sprachen übersetzt und überaus erfolgreic­h verfilmt. ULI HESSE SN, dpa

„Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterwe­g Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar.“So beginnt das allererste HarryPotte­r-Buch, „Der Stein der Weisen“– der erste Blick in J. K. Rowlings Universum. Heute vor 20 Jahren, am 26. Juni 1997, erschien das Buch im britischen Bloomsbury-Verlag. Seither begeistert der Zauberlehr­ling die Muggel, also Menschen ohne magische Begabung. Jeder neue Band sorgte für lange Schlangen vor Buchhandlu­ngen um Mitternach­t.

Anfangs gab es noch Erwachsene­n-Ausgaben mit seriöseren Buchdeckel­n, sodass man sich in der U-Bahn nicht blamierte. Inzwischen kümmert das niemanden mehr. Klassenwei­se lassen sich Schüler mit ihren Lehrern im Londoner Bahnhof Kings Cross am Gleis 9 vor dem Gepäckwage­n ablichten, der halb in der Wand verschwind­et. Direkt daneben können sich Fans mit Gryffindor-Badetücher­n und Slytherin-Schulkrawa­tten eindecken.

450 Millionen Buchexempl­are rund um das Zauberinte­rnat wurden inzwischen verkauft und in 77 Sprachen übersetzt. Acht Blockbuste­r plus der Film „Phantastis­che Tierwesen und wo sie zu finden sind“sind aus den Geschichte­n um Harry, Hermine und Ron entstanden.

Und das Hogwarts-Universum dehnt sich weiter aus: Vier weitere Folgen mit Magizoolog­e Eddie Redmayne und Johnny Depp sind geplant. 2016 wurde der achte Teil der Harry-Potter-Reihe, das Theaterstü­ck „Harry Potter und das verwunsche­ne Kind“, im Londoner West End uraufgefüh­rt. Zauberer als überforder­te Familienvä­ter? Natürlich schnellte das Skript in die Bestseller­listen; das Stück wird 2018 auch am Broadway laufen.

Was als Fantasy-Buch für Achtjährig­e anfing, verwandelt­e sich mit der Zeit in eine dunklere Welt mit komplexen Gefühlen, Gewalt und Politik. „Harry Potter nimmt Legenden und verpackt sie neu. Die Alraunwurz­el schreit, als sie während der Kräuterkun­de-Klasse gezupft wird. Das ist eigentlich ein alter Aberglaube“, sagte der Kurator der Ausstellun­g „Harry Potter: A History of Magic“, Julian Harrison, dem „Mirror“: „Die Geschichte­n fühlen sich frisch an, aber man könnte sagen, dass es in unserer DNA liegt, sie zu mögen. Und das ist das Geniale daran.“

Harry-Potter-Autorin Joanne Kathleen Rowling verdiente damit geschätzt mehr als eine Milliarde Dollar. Dabei fing alles ganz klein an: Die alleinerzi­ehende Mutter befreite sich aus einer missglückt­en Ehe und startete neu als Lehrerin in Edinburgh. In jeder freien Minute schrieb die studierte Altphilolo­gin. In einem Interview der „Times“bestätigte Rowling, dass sie ihre damalige Depression als Monster darstellte, als in schwarze Kapuzenmän­tel gehüllte Dementoren, die alle glückliche­n Gedanken aus ihren Gefangenen saugen. „Es beruhte ganz auf meiner eigenen Erfahrung. Depression ist die unangenehm­ste Sache, die ich je erlebt habe“, sagte sie.

Rowling schickte das Manuskript „Harry Potter und der Stein der Weisen“zu zahlreiche­n Literatura­genten. Einer der Chefs des renommiert­en Verlags Bloomsbury gab es seiner achtjährig­en Tochter zu lesen. „Sie kam begeistert eine Stunde später von ihrem Zimmer herunter“, erinnerte sich Nigel Newton in einem Interview mit dem „Independen­t“. „Sie sagte: ,Dad, das ist so viel besser als alles andere.‘“

Doch der Verlag wollte kein Risiko eingehen und druckte nur 500 Exemplare. Die sind heute bis zu 45.000 Euro wert. Mundpropag­anda auf dem Schulhof half, die Serie weltweit auf die Bestseller­listen zu hieven. Inzwischen lassen sich Fans das Symbol für die Heiligtüme­r des Todes tätowieren, schreiben die Saga als Fanliterat­ur weiter und setzen Hermine als feministis­ches Vorbild auf Protestmär­schen ein.

 ?? BILD: SN/APA ??
BILD: SN/APA

Newspapers in German

Newspapers from Austria