Wenn Vettel und Hamilton streiten, freut sich Ricciardo
Völlig „verrückter“Grand Prix von Aserbaidschan mit dem Safety Car als lange Führendem – und dem ersten Red-Bull-Saisonsieg just vor dem Heimrennen der Bullen in Spielberg.
„Was für ein verrücktes Rennen“, erklärte Valtteri Bottas schwitzend unmittelbar nach der Zielankunft in Baku. Als Zweiter, nachdem er nach Runde eins Letzter war – und auf der Ziellinie Überraschungsmann Lance Stroll noch um ein Zehntel auf Platz drei verweisen konnte. „Und was für ein Spaß“, jubelte Daniel Ricciardo. Das Grinsen im Gesicht war noch breiter als sonst.
Kein Wunder, der Australier hatte eben seinen fünften Grand Prix gewonnen, noch dazu von Startplatz zehn und nach frühem Boxenstopp (zur Entfernung von Teilen anderer Autos aus der Bremslüftung des RB13) auf Platz 15 zurückgereiht. Er wurde der erste Saisonsieger, der nicht in Rot oder Silber unterwegs war. „Die Chancen sind minimal, weil in der Qualifikation alles schiefging“, hatte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko vor dem Start in Aserbaidschan gemeint. Nachher musste er wohl zugeben: Wir hatten keine Chance, aber wir nutzten sie – obwohl Max Verstappen schon wieder in der Startphase auf Platz vier mit Technikproblemen ausgeschieden war. Auch beim Niederländer wurden Trümmer als Ursache vermutet.
Die beiden WM-Rivalen Lewis Hamilton (66. „Pole“) und Sebastian Vettel hätten das Rennen unter sich ausgemacht, doch sie warfen buchstäblich einen weiteren Sieg weg – und ermöglichten einen Zieleinlauf, zu dem Interviewer David Coulthard fragte: „Hat den jemand erwartet?“Mit Platz vier vergrößerte Vettel seine WM-Führung vor dem GP von Österreich am 9. Juli dennoch auf 14 Zähler vor dem fünftplatzierten Briten. Ihre Siegchancen verspielten sie in einer Neutralisation: Hamilton fuhr extrem langsam vor dem Re-Start, „lud“Vettel zur Bremsprobe, worauf der ungeduldige Ferrari-Star das Heck des Mercedes touchierte und darüber so erbost war, dass er seinen Wagen absichtlich seitlich in den von Hamilton lenkte. Die Kommissäre erkannten: Revanchefoul! Sie holten Vettel zum Zehnsekundenstopp an die Box. Hamilton kam straffrei davon (was Vettel prompt kritisierte), musste aber auch an die Box, um den gebrochenen CockpitKopfschutz zu wechseln. So waren beide nach zwei Dritteln aus dem Rennen um das Podium.
In das kämpfte sich Bottas zurück, der nach langem Stopp nach Runde eins (Kollision mit Räikkönen in Kurve zwei) am meisten von den Safety-Car-Phasen profitierte und in seiner Aufholjagd alle bis auf Ricciardo überholen konnte.
Sonstige Underdogs hatten nach dem Chaos Grund zum Jubel. Stroll bescherte Williams das unverhoffte erste Podium der Saison und ihm selbst ein „Erlebnis, das ich gar nicht fassen kann. Das muss ich alles erst begreifen“, wie der Dritte zugab. Bis vor zwei Wochen mit Ablösespekulationen konfrontiert, dann erste Punkte daheim in Montréal und jetzt als 18-Jähriger auf dem Podium! Fernando Alonso kam als Neunter zu ersten Saisonpunkten für ihn und McLaren-Honda, derweil Pascal Wehrlein als Zehnter zum zweiten Mal für Sauber anschrieb – wenige Tage nach Entlassung seiner Chefin Monisha Kaltenborn.
Hadern mussten nicht nur Vettel und Hamilton. Auch bei Force India war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Denn beide Fahrer lagen bei einem Re-Start vor dem späteren Sieger, kollidierten aber. Sergio Pérez schied später aus, Esteban Ocon rettete sich auf Platz sechs.
Mit Ricciardo als Sieger war klar: Es war „shoey“-Zeit, Zeit für einen Schluck Schampus aus Daniels Rennschuh. Cheers.