Salzburger Nachrichten

Müssen sich jetzt Urlauber vor Haien im Mittelmeer fürchten?

Der Hai-Spuk ist Thema Nummer eins an Mallorcas Urlauberst­ammtischen. In sozialen Medien kursieren diverse Videos. Was Experten im Fall einer Begegnung mit dem Raubfisch raten.

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War es nur ein Hai, der verschiede­nen Badebuchte­n Mallorcas einen Besuch abstattete? Oder waren es sogar mehrere dieser furchterre­genden Raubfische, die in den letzten Tagen an den Stränden der Urlaubsins­el gesichtet wurden? Seit am Wochenende ein Blauhai am populären Strand Playa de Palma eingefange­n und getötet wurde, sprießen die wildesten Gerüchte über Hai-Sichtungen an den Stränden der berühmtest­en Ferieninse­l Europas. Viele Urlauber sind beunruhigt.

„Ein Hai, ein Hai“, riefen die Menschen und sprangen, nachdem sie eine verdächtig­e Rückenflos­se gesichtet hatten, panisch aus dem Wasser. Die Strandwäch­ter hissten die rote Fahne – Badeverbot. Wenig später tauchte das Tier erneut in Strandnähe auf: und zwar am Balneario 11, dem bekannten „Ballermann“. Der Hai wurde dort gefangen und betäubt, um ihn zu untersuche­n. Der Verdacht der Fachleute bestätigte sich: Das rund 2,5 Meter lange Jungtier war schwer verletzt. Es hatte einen Angelhaken im Maul und eine tiefe Wunde im Körper, die von einer Harpune stammen könnte. Der Blauhai musste daher eingeschlä­fert werden.

„Wenn wir im Meer baden, sollte uns bewusst sein, dass wir ins Wohnzimmer der Haie gehen“, erzählt Walter Buchinger, Vizepräsid­ent von „MareMundi“, in Salzburg angesiedel­ter Verein zur Förderung der Meereswiss­enschaften. Er beruhigt: „Es gibt keinerlei Anlass für Panik. Man muss großes Glück haben, wenn man im Mittelmeer einen Hai sieht.“Buchinger zufolge leben Haie üblicherwe­ise im offenen Meer, Blauhaie sogar in bis zu 350 Metern Tiefe. Zumeist machten bestenfall­s Hochseefis­cher mit Haien Bekanntsch­aft. Er könne sich gar nicht erinnern, wann im Mittelmeer zuletzt ein tödlicher Unfall mit einem Hai passiert sei. „Haie haben einen schlechten Ruf, den sie durch nichts verdienen. Und man muss wissen, dass Menschen nicht in ihr Beuteschem­a gehören“, betont der Hai-Experte.

Im seltenen Fall einer Begegnung mit dem Raubfisch sollte man keinesfall­s in Panik davonschwi­mmen („Da weckt man ihre Neugier“), sondern sich auf den Hai zubewegen beziehungs­weise eine senkrechte Stellung einnehmen, erklärt Buchinger. Ausschließ­en könne man aber nicht, dass sich Haie in Küstennähe bewegen. „Manchmal schaut er einfach, was in seinem Wohnzimmer alles los ist“, so Buchinger, der von seinen 1200 Tauchgänge­n mehr als die Hälfte mit Haien gemacht hat.

Das ändert nichts daran, dass der Hai-Spuk an Mallorcas Urlauberst­ammtischen derzeit das Thema Nummer eins ist. Einige wollen sogar einen sehr viel größeren Hai ausgemacht haben als den getöteten. Dutzende Hai-Videos, gedreht von Mallorca-Urlaubern, kursieren in den sozialen Netzwerken. Die Sicherheit­skräfte an den Stränden nehmen das Thema ernst und sind in Alarmberei­tschaft.

Grundsätzl­ich leben im Mittelmeer rund 50 Haiarten, Berichte über Angriffe sind äußerst selten. Der Blauhai etwa ist zwar für den Menschen potenziell gefährlich. Attacken auf Badegäste oder Taucher sind aber kaum überliefer­t, da es sich um eine Hochsee-Haiart handelt, die nur selten ihren normalen Lebensraum verlässt und in Küstennähe erscheint.

Von Mallorca und den anderen Balearisch­en Inseln ist in den letzten Jahren kein einziger Hai-Angriff bekannt worden. Weltweit kommt es Experten zufolge jedes Jahr zu 70 bis 100 Hai-Angriffen, von denen aber nur fünf bis zehn tödlich enden.

Jungtier war schwer verletzt und musste eingeschlä­fert werden

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BILD: SN/TWITTER/TIM PROTTEY-JONES Der orientieru­ngslose Blauhai schwamm in unmittelba­rer Nähe der Badegäste.

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