Jedermann und Buhlschaft sind bester Dinge
Tobias Moretti, Stefanie Reinsperger und Regisseur Michael Sturminger geben erste Auskünfte über die Neuinszenierung jenes Stücks, das die Ikone der Salzburger Festspiele ist.
Tobias Moretti und Stefanie Reinsperger proben seit drei Wochen für die Neuinszenierung des Spiels auf dem Domplatz. Mit der Premiere am 21. Juli beginnen die Salzburger Festspiele. Die Stimmung ist offensichtlich gelöst. „Ich bin noch mit Staunen beschäftigt“, bekennt Reinsperger, die sich wie Moretti und Regisseur Michael Sturminger in höchsten Tönen über den Gemeinschaftssinn aller Beteiligten äußert. Das Ensemble, aber auch alle Arbeiter aus Technik und Organisation seien, so Sturminger, „ein Geschenk“.
Genau zu dem Zeitpunkt, als bei der ersten Begegnung mit Jedermann Tobias Moretti, Buhlschaft Stefanie Reinsperger und dem Regisseur Michael Sturminger auf der Presseterrasse der Salzburger Festspiele die Moderatorin und Schauspielchefin Bettina Hering die Rede auf den Domplatz brachte, ertönte majestätisch – und salzburgtypisch lang andauernd – die große Glocke. Priesterweihe, erklärte Präsidentin Helga Rabl-Stadler, feiere man dort, und deswegen seien auch die Gewerke, die vor dem Dom an der neuen JedermannBühne arbeiten, gehalten, heute nur leise Tätigkeiten auszuführen. Und als das Geläut verstummte, kam ein anderes, wohl vertrautes Geräusch. Es begann zu regnen.
Die Tonkulisse also stimmte perfekt und wie inszeniert für das, wozu gut drei Wochen vor der Premiere ein erster Einblick gewährt sein sollte. Ein neuer „Jedermann“steht an, überraschend erst zu Ostern wurde das entschieden, nachdem man mit dem bisherigen Team, das Sven-Eric Bechtolf verpflichtet hatte, in einer allfälligen Umarbeitung nicht mehr weitergekommen war. Kein Blick im Groll zurück: So hieß der Tenor des neu verpflichteten Titelrollenträgers, Tobias Moretti. Im Gegenteil: Er habe von AusstatterRegisseur Julian Crouch eben einen freundlichen Brief erhalten. Er, Crouch, wolle sich mit Neugierde anschauen, was die Nachfolger machten – im nächsten Jahr.
Regisseur Michael Sturminger, aus dem Hut gezaubert, als er und sein Ausstatterteam Renate Martin und Andreas Donhauser gerade für die Salzburger Osterfestspiele Salvatore Sciarrinos „Lohengrin“vorbereiteten, wirkt demütig und bescheiden zugleich. Drei Wochen sei man jetzt schon gemeinsam auf der Suche nach der neuen Interpretation mit einem Ensemble, das er nur als „Geschenk“bezeichnen könne. Immerhin gibt es, neben Moretti und Reinsperger, noch vier weitere neue Schauspieler, darunter die große Edith Clever als Jedermanns Mutter, und da auch im Restensemble Rollen umbesetzt wurden, müssen neun Positionen quasi neu definiert werden.
„Ich bin noch mit Staunen beschäftigt“, sagt eine gelöste Stefanie Reinsperger, der die „historische Last“der Buhlschaft zwar bewusst sei, von der sie sich aber nicht einschränken lassen will: „Wir wollen Menschen im Hier und Heute erschaffen“und – wie ihr Jedermann Moretti beipflichtet – mit „Freude und Neugier“Konstellationen des Zu- und Miteinander neu finden. Bis jetzt zumindest herrsche, so Moretti, der als Teufel und Guter Gesell reichlich Salzburg-Erfahrung hat, „noch kein Druck“. Und im „dezenten Fokus“der Probenbühne funktioniere dieses SichAusprobieren auch hervorragend: die Psychologie der Figuren, aber auch Sprache und Situationen exakt zu analysieren und auszutesten. Besonders freue er sich auf die Abendvorstellungen. Denn „draußen“werde das sicherlich anders, angesichts des „großartigen Ungeheuers“(Sturminger) Domplatz: das Stichwort für die Glocken.
Der Regisseur – und da wirkt er besonders demütig – sieht diesen Raum, die Kulisse, die Fassade des Doms als „faszinierende Vorgabe“. Sie spiegelten „Macht, Schönheit, Transzendenz“: die zentralen Themen des „Jedermann“. Deswegen werde die Bühne nicht großmächtig eingreifen in das Ambiente. Die „Dekoration“soll nur zeichenhaft die Architektur spiegeln, sie „transparent“und umrisshaft mit Linien und Farben replizieren, so aber auch einen zeitloszeitgemäßen Kontrapunkt zur Historizität des Dombaus schaffen. Und erstmals auf einer „Jedermann“-Bühne werde es einen Theatervorhang geben. Überhaupt: „Jedermann“sei ein „archaisches Stück“, das sich aber mit zeitlosen Dingen beschäftigt. Deswegen will die neue Inszenierung auch nicht „historisieren“, sondern das Heutige zeigen.
Da wird, wohl schon auch vom Typ her, Stefanie Reinsperger eine Buhlschaft mit großem Selbstbewusstsein sein, eine, die ihrem Jedermann auf Augenhöhe begegnet: „Er ist ein Grenzgänger, sie ist ein Freigeist“– da könnten schon ganz neue Funken stieben. Man denke gemeinsam gerne über grundsätzliche Fragen nach: Leben und Tod, Erotik und Sinnlichkeit. Die Buhlschaft ist jedenfalls „viel mehr als die Tradition von Klischees der Buhlschaft“. Und das Stück besser als sein Ruf: Tobias Moretti glaubt fest daran, dass, wenn man ihn ernst nimmt, klar spricht und nicht deklamiert, sich „der Text verjüngt“.