Höchstrichter heben Flughafen-Urteil auf
Zurück zum Start geht das Verfahren um eine neue Startbahn am Flughafen Wien. Die Höchstrichter sehen grobe Fehler der Vorinstanz.
Das Verfahren um die dritte Startbahn am Flughafen Wien geht zurück zum Start.
WIEN. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Bauverbot für eine dritte Start-und-Lande-Bahn am Flughafen Wien-Schwechat aufgehoben. Die vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gefällte Entscheidung gegen die seit Langem geplante Piste sei verfassungswidrig, erkannte das Höchstgericht. Damit ist das Verbot aufgehoben, das Verwaltungsgericht muss sich nun erneut mit der Causa befassen.
In ihrer am Donnerstag verkündeten Entscheidung begründen die Verfassungsrichter ihr Verdikt mit groben Fehleinschätzungen des Verwaltungsgerichts. Dieses habe in seiner – vom Flughafen Wien sowie vom Land Niederösterreich angefochtenen – Entscheidung „die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht grob verkannt“. Dieses „gehäufte Verkennen der Rechtslage“belaste die angefochtene Entscheidung mit Willkür und verletze die Parteien im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. „Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben“, lautet die Schlussfolgerung der VfGHHöchstrichter.
Die Vorgeschichte: Eine dritte Piste ist für den Flughafen WienSchwechat spätestens seit Mitte der 1990er-Jahre ein Thema, um das erwartete langfristige Wachstum der Luftfahrt auf den Boden bringen zu können. Vor allem geht es darum, das Aufkommen zu Spitzenzeiten ohne längere Wartezeiten bewältigen zu können. Versuche einer Kooperation mit dem nur 50 Kilometer entfernten Flughafen Bratisla- va/Pressburg scheiterten, nach insgesamt 17 Jahren – einem Mediationsverfahren mit den Anrainern und einer Umweltverträglichkeitsprüfung. 2015 gab die nö. Landesregierung grünes Licht. Anfang Februar 2017 widerrief das Bundesverwaltungsgericht als nächste Instanz den Bescheid mit der Begründung, das Projekt gefährde Österreichs Klimaschutzziele und vernichte 661 Hektar Ackerfläche.
Folgende Punkte beanstanden die Verfassungsrichter in ihrer Entscheidung konkret:
– Fehler bei der Auslegung der Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes durch das BVwG. Es sei zwar geboten, den Klimaschutz in die Abwägung einzubeziehen, letztlich müsse sich die Entscheidung aber auf das Luftfahrtgesetz (LFG) beziehen bzw. aus diesem herleitbar sein. Aus der Verfassung sei aber „kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen gegenüber anderen der Verwaltung obliegenden Entscheidungsdeterminanten ableitbar“.
– Das Verwaltungsgericht habe die CO2-Emissionen falsch berechnet. So würden für Langstreckenflüge zu Unrecht sämtliche Emissionen während des gesamten Fluges allein dem Flughafen Wien angelastet.
– Anstatt sich auf die Auslegung des LFG zu beschränken, berufe sich das BVwG fälschlich auf internationale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll oder die niederösterreichische Landesverfassung, die in diesem Fall aber nicht relevant sei.
Beobachter werten die Ausführungen des VfGH als schallende Ohrfeige an das Bundesverwaltungsgericht, dessen abschlägiger Bescheid im Februar einen Sturm der Entrüstung vor allem in der Wirtschaft und der zuständigen Politik auf Landes- und Bundesebene ausgelöst hatte.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass VfGH-Präsident Gerhart Holzinger nach der Entscheidung eigens die große Bedeutung der Verwaltungsgerichte hervorhob, die 2014 die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) abgelöst hatten. Die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen durch eine höhere Instanz sei ein Grundrecht und gehöre zum Wesen eines Rechtsstaats. Dass dabei Entscheidungen „hin und wieder aufgehoben werden“, liege in der Natur der Sache. Das jüngste Erkenntnis bedeute „keinesfalls, dass die Entscheidung der unteren Instanz in irgendeiner Weise interessengeleitet wäre, dass es ein moralisch fehlerhaftes Verhalten gewesen wäre, so entschieden zu haben“, unterstrich der VfGH-Präsident.
Einen Präzedenzfall für künftige Entscheidungen zu Umweltschutz und Luftfahrt will Holzinger daraus nicht ableiten. „Es ist eine Entscheidung für einen Einzelfall“mit der Konsequenz, „dass nur hier die Genehmigung
„Es war keineswegs klar, es war eine sehr komplexe Rechtsfrage.“Gerhart Holzinger, VfGH-Präsident
nicht versagt werden darf“, stellte er klar.
Jetzt ist wieder das Verwaltungsgericht am Zug. Eine BVwG-Sprecherin erklärte am Donnerstag, man werde rasch handeln, sobald die ausführliche schriftliche VfGHBegründung vorliege, was bis Mitte Juli der Fall sein dürfte. Unter Experten gilt es als naheliegend, dass sich die gleichen Richter noch einmal mit der Causa befassen, weil sie bereits in die Materie eingearbeitet seien. Die Reaktionen auf die Entscheidung des VfGH waren überwiegend positiv. Vertreter des Flughafens, der Wirtschaft sowie das Land Niederösterreich und die meisten Parteien sehen nun die Wachstumsaussichten für den Flughafen, die Ostregion und letztlich für den gesamten Standort Österreich wieder intakt. Auch der AUA-Vorstand begrüßte die Aufhebung des Urteils durch den VfGH. Kritik kam von den Grünen, von Umweltschutzorganisationen sowie von der Plattform Attac.