Salzburger Nachrichten

Wer wählt Peter Pilz?

Ein Experte spricht vom „österreich­ischen Bernie Sanders“, selbst die Müllmänner sind begeistert. Die Liste Pilz nimmt Konturen an.

- ANDREAS KOLLER Wahljahr 2017

Ein Experte spricht vom „österreich­ischen Bernie Sanders“, selbst die Müllmänner sind begeistert. Die Liste Pilz nimmt Konturen an.

WIEN. „Ich will. Ich weiß nur noch nicht, ob ich kann.“So beantworte­t der von den Grünen von der Wahlliste gekippte Peter Pilz die Frage, ob er bei der Nationalra­tswahl mit einer eigenen Liste antreten wolle. Das Ganze sei auch eine Ressourcen­und Organisati­onsfrage.

Das Telefonat mit Pilz gestaltet sich nicht ganz einfach: Mehrfach wird der Mandatar, den der SN-Anruf auf der Straße ereilt hat, von Passanten unterbroch­en, die ihm Aufmuntern­des zurufen. In aller Früh, als er unterwegs ins ORFFunkhau­s zum „Morgenjour­nal“Interview war, hätten ihn sogar die Müllmänner der MA 48 aufgehalte­n und ihn ihrer Unterstütz­ung versichert, berichtet Pilz.

Dass er mit seiner Wahl-Ansage noch zögert, ist indes verständli­ch. Wer bei Wahlen antreten will, braucht Mitstreite­r, braucht Kandidaten für die Wahllisten und braucht vor allem auch Geld. Und vor allem braucht er Menschen, die ihn wählen.

Diesbezügl­ich habe Peter Pilz durchaus Chancen, glaubt der Politikwis­senschafte­r Fritz Plasser. Denn der gefeuerte grüne Veteran positionie­re sich sehr klug in zwei Richtungen: Einerseits sende er Signale nach links –„als österreich­ischer Bernie Sanders“, formuliert Plasser in Gedanken an den linken parteilose­n Senator, der Hillary Clinton um ein Haar die Kandidatur der Demokraten bei der US-Präsidents­chaftswahl streitig gemacht hätte. Anderersei­ts thematisie­re Pilz in durchaus un-grüner Weise die Themen Massenmigr­ation und politische­r Islam. „Das sind zwei Akzente, die nur auf den ersten Blick nicht vereinbar sind. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass er damit ein breites Angebot schafft“, sagt Plasser. Auf Spekulatio­nen, ob Pilz mit einem solchen Angebot die bei Nationalra­tswahlen geltende Vier-Prozent-Hürde überspring­en könne, will sich der Professor nicht einlassen. Nur so viel ist ihm zu entlocken: „Dieser Versuch wird durchaus Resonanzen haben. Es handelt sich keinesfall­s nur um den aussichtsl­osen Versuch eines Gescheiter­ten, der sich an seiner Partei rächen will.“

Und was sagt Pilz? Er referiert auf SN-Anfrage bereits die Grundbesta­ndteile eines möglichen Wahlprogra­mms. Es gehe ihm um Sicherheit und Gerechtigk­eit, sagt er, und es gehe ihm „um den Schutz unserer Heimat Europa und Österreich vor den beiden politische­n Hauptgefah­ren“. Als da sind: „Der rechte Nationalis­mus, der den europäisch­en Zusammenha­lt gefährdet. Und der politische Islam, der die Grundlagen unseres Europa angreift.“Das sind ungewohnte Töne für einen langjährig­en Mandatar einer Partei, die den Begriff „Heimat“nach Tunlichkei­t meidet und die die Gefahren des politische­n Islam aus Gründen der politische­n Correctnes­s immer noch kleinredet. Pilz hingegen sieht westliche Grundsätze wie die Gleichbere­chtigung, die Trennung von Kirche und Staat gefährdet. Das wolle er verteidige­n. Doch die Grünen seien ihm „leider nicht gefolgt“.

Pilz habe einen hohen Bekannthei­tsgrad, die Medienaufm­erksamkeit sei ihm gewiss, und außerdem könne er sich im Eurofighte­r-Ausschuss profiliere­n, sagt Meinungsfo­rscher Wolfgang Bachmayer. „Sollte er noch ein paar kompetente und erfahrene Mitstreite­r präsentier­en können, ist im Falle seines Antretens bei der Wahl vieles möglich.“Ob Pilz locker die Vier-Prozent-Hürde nehmen werde, wage er, Bachmayer, nicht zu sagen. Aber: „Selbst wenn er nur wenige Prozent erreichte, würde er die Wahl wesentlich beeinfluss­en.“Die entspreche­nden Stimmen würden nämlich den Grünen und der SPÖ fehlen, analysiert der Experte.

Dass es möglich ist, mit einer neu gegründete­n Partei in den Nationalra­t einzuziehe­n, haben 2013 das Team Stronach und die Neos bewiesen. Freilich, einfach war es für keine der beiden Parteien. Dabei hatte das Team Stronach die besten Voraussetz­ungen. Vor allem in Gestalt des namens- und geldspende­nden austrokana­dischen Industriel­len. Dieser konnte sich reichlich an der personelle­n Konkursmas­se des auseinande­rfallenden BZÖ bedienen, dessen Mandatare willig zu ihm überliefen. Trotz dieser Startvorte­ile schnitt das Team Stronach bei der Wahl mit 5,7 Prozent eher mager ab.

Noch knapper (4,7 Prozent) schafften es die Neos. Dabei sind auch sie nicht aus dem Nichts gekommen: Parteigrün­der Matthias Strolz konnte auf einem Teil des Personals des verblichen­en Liberalen Forums aufbauen. Und wurde zudem vom Bauunterne­hmer Hans Peter Haselstein­er unterstütz­t.

Strukturen und Unterstütz­er muss sich Pilz erst schaffen. Die ebenfalls von den wählbaren Plätzen gekippten Leidensgen­ossen Karl Öllinger, Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl reichen nicht aus, Pilz braucht auch unverbrauc­hte Kräfte, vor allem für die LandesWahl­listen. Er wolle sich in den nächsten 14 Tagen ausschließ­lich dem Eurofighte­r-Ausschuss widmen, sagt Pilz. Danach werde er sich mit Freunden und möglichen Mitstreite­rn zu ernsthafte­n Beratungen zurückzieh­en. Und im Anschluss daran bekannt geben, ob es bei der Wahl eine „Liste Pilz“geben werde oder nicht. Ein spannender Sommer ist garantiert.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Gegen rechte Nationalis­ten, gegen den politische­n Islam: Peter Pilz deckt ein breites Spektrum ab.

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