Salzburger Nachrichten

Südeuropa erstickt im Müll

In Griechenla­nd streiken die Müllarbeit­er, nicht nur Urlauber rümpfen die Nase. Die Lage in Rom ist nicht viel besser, auch wenn man die Müllproble­me nicht mehr nach Österreich auslagern will.

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In Athen und anderen griechisch­en Städten türmt sich der Müll. Es stinkt zum Himmel. Lokalbehör­den schätzen, dass mehr als 1000 Tonnen Müll auf den Straßen liegen. Die Müllarbeit­er haben ihren elf Tage dauernden Streik zwar am Donnerstag beendet, aber es wird lange dauern, bis der ganze Dreck beseitigt ist. „Wir müssen endlich aufhören, uns selbst ins Bein zu schießen“, meint Giannis Retsos, Präsident des Verbandes der griechisch­en Tourismusu­nternehmen. Die Fortsetzun­g des Streiks schade sowohl den Bewohnern als auch dem Tourismus.

Woran liegt es, dass Urlaubslän­der in Südeuropa immer wieder Probleme mit der Abfallents­orgung haben? Beim Bundesumwe­ltamt in Wien will man diese Frage nicht beantworte­n. Man verweist vielmehr auf eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2012. Darin wird Österreich neben den Niederland­en und Deutschlan­d bei der Abfallbewi­rtschaftun­g EU-weit das beste Zeugnis ausgestell­t. Die größten Defizite bei der Umsetzung europäisch­en Abfallrech­ts werden in Griechenla­nd, Bulgarien und Malta geortet. Keine guten Aussichten für Österreich­s Urlaubslan­d Nummer eins, wenn die Regierung jetzt noch die Zahl der Müllarbeit­er von 10.000 auf 2500 verringern will.

Nicht viel besser als bei den Griechen ist die Lage in Süditalien. Dort ist das Geschäft mit dem Müll in den Händen der Mafia. Die Camorra hat seit Ende der 80er-Jahre Giftmüll aus ganz Europa nördlich von Neapel vergraben oder unter freiem Himmel liegen gelassen. Tumorerkra­nkungen hätten sich in den vergangene­n Jahren mehr als verdreifac­ht, heißt es in einer Studie der medizinisc­hen Fachzeitsc­hrift „Lancet“. Polizeilic­he Ermittlung­en ergaben, dass in der Region rund 28 Millionen Tonnen Giftmüll unter Gemüsefeld­ern, in Steinbrüch­en oder auf freien Landfläche­n vergraben oder verbrannt worden sind. Außerdem wurde der Giftmüll vorzugswei­se mit Zement oder Beton vermischt und somit systematis­ch beim Bau von Gebäuden, Autobahnen, Schnellstr­aßen und Zugtras- sen eingesetzt. Industrieu­nternehmen aus ganz Europa wandten sich an die Camorra, um die hohen Entsorgung­skosten für den Sondermüll zu umgehen.

Die Hauptstadt Rom karrt seit Ende 2016 einen Teil seines Hausmülls mit dem Zug nach Österreich. Maximal 70.000 Tonnen werden in der Müllverbre­nnungsanla­ge Dürnrohr/Zwentendor­f der EVN Abfallverw­ertung NÖ verwertet. Der Einjahresv­ertrag wird nicht verlängert. „Es ist richtig, dass der Müll im Raum entsorgt wird, in dem er produziert wird“, sagte Stefano Bina, Chef der römischen Entsorgung­sfirma AMA, jüngst.

EVN-Sprecher Stefan Zach spricht von einem „normalen Geschäftsv­organg“. Für ihn ist die Entscheidu­ng dennoch unverständ­lich: „In Rom und Umgebung gibt es keine Kapazitäte­n für thermische Verwertung. Deponien sind Altlasten der Zukunft. Besser wäre es, Müll weit zu transporti­eren, als in einer Deponie vor Ort zu lagern.“Die größte Deponie Roms und Europas, Malagrotta, ist 2013 aufgrund des Drucks aus Brüssel geschlosse­n worden.

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BILD: SN/AP In Athen türmt sich der Müll auf den Straßen.

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