Das Kalifat des „Islamischen Staates“geht unter
Die irakische Armee nimmt jetzt die symbolträchtige Nuri-Moschee in der Stadt Mossul ein.
Es war in der „Nacht der Bestimmung“oder auch des „Schicksals“, in der nach islamischen Überlieferungen dem Propheten Mohammed erstmals Teile des Korans offenbart wurden. Dass die Terroristen des sogenannten „Islamischen Staates“(IS) in der heiligen Nacht den Turm der NuriMoschee in Mossul sprengten, war sicherlich kein Zufall. Sie wussten, dass das mehr als 800 Jahre alte Gotteshaus, in dem IS-Chef Abu Bakr al Baghdadi seinen einzigen öffentlichen Auftritt so dreist inszeniert hatte, nicht mehr zu verteidigen war. Nun, eine Woche später, hat die irakische Armee das Gelände der Nuri-Moschee eingenommen. Drei Jahre lang hat die Regierung in Bagdad diesen Tag herbeigesehnt. Die euphorische Verkündung vom „Ende des Kalifats“ist daher keine Überraschung. „Dieser fiktive Staat ist heute gefallen“, erklärte der irakische General Yahya Rosool, der allerdings auch nach diesem großen symbolischen Sieg wissen dürfte, dass der Kampf gegen die Terrormiliz und mögliche Nachfolgeorganisationen noch Monate, wenn nicht gar Jahre fortgesetzt werden wird.
Auch im Westen der einstigen Millionenstadt Mossul ist der IS noch nicht endgültig besiegt. Die Dschihadisten halten immer noch ein etwa einen Quadratkilometer großes Gebiet in der Altstadt. Bis zu 80.000 Zivilisten sollen die Terroristen dort als menschliche Schutzschilde genommen haben. Hunderte Iraker haben die Flucht aus dem Inferno bereits mit ihrem Leben bezahlt.
Nach arabischen Medienberichten sollen die Kommandeure der Terrormiliz damit begonnen haben, ihren Kämpfern „Pässe ins Paradies“auszustellen. Mit den Papieren sollen die Dschihadisten offenbar davon überzeugt werden, dass ihnen ein Platz im Paradies sicher ist. Ob derartige Anreize den eingeschlossenen IS-Aktivisten die Angst vor dem Tod nehmen, ist indes fraglich. Nach Informationen des irakischen Geheimdienstes haben sich viele der IS-Kämpfer auf Befehl ihrer Führer die Bärte abrasiert. Sie sollten „erst einmal untertauchen und auf weitere Befehle warten“.
Auch im syrischen Rakka, der selbst proklamierten Hauptstadt des „Kalifats“, steht der IS mit dem Rücken zur Wand. Die ostsyrische Euphrat-Metropole wird seit Wochen von den kurdisch dominierten „Syrisch-Demokratischen Kräften“ belagert. Weiter östlich kontrolliert der IS allerdings noch mehr als 200 Flusskilometer. Wie viele Kämpfer der stark geschwächten Terrorgruppe noch zum Widerstand bereit sind, ist nicht bekannt. Offizielle Durchhalteparolen, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, wurden zuletzt nicht mehr verbreitet.
Die Anfang Juli angekündigte Audio-Botschaft von IS-Führer al Baghdadi wurde bislang nicht ausgestrahlt. Das erhärtet die russische These, wonach der Chef der Terrorbande bei einem Luftangriff bei Rakka ums Leben gekommen ist. Nach saudischen Presseberichten hat die Diskussion über einen Nachfolger bereits begonnen.