„Der sichere Arzt verwandelt die Angst“
Westliche Schulmedizin und östliche Heilsysteme wie Ayurveda oder TCM weisen unterschiedliche Wege zur Gesundheit. Hier wie dort ist es vordringlich, die gesunden Anteile im Patienten zu stärken.
WIEN, LECH. Das diesjährige „Medicinicum Lech“will mit „Rezepten aus Ost und West“die vielen Wege zur Gesundheit aufzeigen. Alfred Lohninger, Gynäkologe, Allgemeinmediziner, Chronomediziner und TCM-Experte, sieht diesen Brückenschlag in einem anderen Zugang zu Gesundheit und Krankheit.
Rückenschmerzen in der westlichen Medizin
Konkret zeigt der Wiener Mediziner den unterschiedlichen diagnostischen und therapeutischen Umgang der westlichen Schulmedizin und der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) am Beispiel von Rückenschmerzen auf. Die Schulmedizin versuche die Schmerzspirale zu durchbrechen, die durch einen aus dem Wirbelkanal ausgetretenen Nerv entstehe – meist aufgrund einer Vorwölbung oder eines Vorfalls von Bandscheiben mit entsprechender Erregung von Schmerzrezeptoren.
„In der diagnostischen Kaskade fragt die Schulmedizin hoch genau nach dem Was, sie fragt aber kaum nach dem Wodurch und noch weniger nach dem Warum“, meint Lohninger. Therapeutisch werde daher versucht, den Schmerz gleichsam unmittelbar „an Ort und Stelle“auszuschalten – durch lokal applizierte Schmerzmittel, durch Medikamente oder durch eine Operation.
Und dasselbe in der Chinesischen Medizin
Bei der TCM gehe es immer um das Qi – „ein Begriff, unter dem man am ehesten Lebensenergie verstehen sollte“, sagt der Mediziner. Schmerzen seien demnach durch Stagnation oder Stase von Qi verursacht. Das eine sei eine Blockade, die zu einem lokalen „Zuviel“an Qi führe. Das andere, die Stase, sei ein „Versiegen“des Qi lokal oder im ganzen Körper. Lohninger zieht zum Vergleich einen Fluss heran: Im ersten Fall, der Blockade, staut sich der Fluss durch Treibholz auf, im zweiten Fall, der Stase, trocknet er aus. Die Therapie folge in der TCM weniger dem Was als vielmehr diesem Wodurch. „Rückenschmerzen werden daher nicht unmittelbar an der Wirbelsäule behandelt, sondern gemäß dem Wodurch, also danach, wie sie entstanden sind“, betont Lohninger. Mittel dazu seien Akupunktur, Schröpfen, TuinaMassage, eine spezielle Ernährung, chinesische Kräutertherapie oder Bewegung z. B. durch Qigong.
Krankheit und Heilung entstehen im Gehirn
Die westliche Medizin ist nach Ansicht des Wiener Experten zu sehr auf die Krankheit fokussiert. Lohninger bringt dazu wieder einen Vergleich: „Es ist wie bei einem Fahrschüler. Solange er vor allem danach trachtet, nicht die Randsteine zu touchieren, droht ihm die Gefahr, dass das erst recht passiert. Erst wenn er den Blick auf das Ende der Kurve richtet, fährt er sicher.“
Übertragen auf Gesundheit und Krankheit heiße das zwar nicht, die Randsteine – also die Gesundheitsgefährdung oder diagnostische Parameter – zu ignorieren, betont Lohninger. „Aber die Würdigung der gesunden Anteile in und um uns, die Nutzung von Ressourcen gerade auch im Erkrankungsfall, ist unabdingbar für die Heilung.“
Damit Gesundung gelinge, „müssen wir unter anderem so gut wie möglich schlafen, Nahrung verarbeiten und Zuversicht aufbauen“. Selbstverständlich könne das etwa im Fall einer Krebserkrankung nicht eine notwendige Chemotherapie oder Bestrahlung ersetzen. „Aber wie es gelingt, die gesunden Anteile in der Zeit zwischen den jeweiligen Behandlungsterminen zu aktivieren, ist mit entscheidend für den therapeutischen Erfolg.“
Wieder in Richtung „Werkseinstellung“gehen
Einen kranken Menschen behandeln heißt demnach für Lohninger, ihn in die Lage zu versetzen, „sich wieder Richtung Werkseinstellung zu organisieren“. Das bedeute, „dass ich dem Patienten die Diagnose nicht nur anhand von Laborwerten vermittle, sondern dass sein Bauch, sein Herz und sein Hirn verstehen müssen, was Sache ist“. Nur dann werde der Patient in der Therapie hundertprozentig mitziehen.
Arzt oder Therapeut hätten eine Schlüsselrolle, sagt Lohninger: „Je sicherer und überzeugter der Behandler ist, desto erfolgreicher ist die Therapie.“Entscheidend für die Wirksamkeit sei, „was ein Medikament dem Patienten bedeutet und wie weit er überzeugt ist, dass es etwas für ihn tun kann“.
Das Ziel ist ein vierfaches Vertrauen des Patienten
Ohne Vertrauen des Patienten in seinen Behandler und ohne Auflösung der Angst vor der Krankheit – und letztlich vor dem Tod – sei keine Heilung möglich, ist Lohninger überzeugt. Das sichere Auftreten des Arztes oder Therapeuten als wissend, erfahren, zuversichtlich und einfühlsam löse beim Patienten die Angst und verwandle sie in ein vierfaches Vertrauen: Vertrauen in den Behandler, Vertrauen in die Behandlung, Vertrauen „in das Ganze“, „in das Schicksal“, „in Gott“und Vertrauen in sich selbst.
Beim Medicinicum Lech vom 6. bis 9. Juli stehen drei große medizinische Schulen im Mittelpunkt: die indische (Ayurveda), die chinesische (TCM) und die westliche (Schulmedizin). Die Heilsysteme sollen „auf Augenhöhe und ihre Gemeinsamkeiten betreffend“erörtert werden. Leitung: Markus M. Metka und Johannes Huber. Info: WWW.MEDICINICUM.AT
„Gut schlafen und Zuversicht aufbauen.“Alfred Lohninger, Arzt und TCM-Experte