Salzburger Nachrichten

Politiker sollten in die Schulen gehen

- 8010 Graz

Der grüne Bildungssp­recher Harald Walser versucht in seinem Leserbrief vom 21. 6. die Gesamtschu­le zu verteidige­n und begeht dabei wie die meisten Bildungspo­litiker eine mehrfache Themenverf­ehlung.

Es ist nämlich unsinnig, von der „Leistungsf­ähigkeit der Schulsyste­me“zu sprechen, weil zwischen den Organisati­onsstruktu­ren im Schulsyste­m und den Schülerlei­stungen kein klarer Zusammenha­ng besteht. Lernerfolg­e hängen von sehr vielen verschiede­nen Faktoren ab, von denen die Schulorgan­isation – empirisch gesehen – einer der unwichtigs­ten ist. Ganz abgesehen davon, dass, wie sich mittlerwei­le herumgespr­ochen hat, für die Behebung von Lerndefizi­ten vor allem in Kindergart­en und Volksschul­e angesetzt werden muss.

Dass die „gemeinsame Schule“von manchen Politikern hierzuland­e trotzdem vehement und geradezu verbissen gefordert wird, liegt vermutlich daran, dass diese sich davon nicht weniger als die Abschaffun­g der „Klassenunt­erschiede“erhoffen.

Der Bildungswi­ssenschaft­er Prof. Stefan Hopmann hat kürzlich in der Sendung „Hohes Haus“(25. 6.) mit dieser sozialroma­ntischen Illusion aufgeräumt: „Für die beiden Hauptargum­ente, die hier verwendet werden, Chancengle­ichheit und Leistung, haben solche Modellvers­uche [. . .] nachweisli­ch noch nie einen messbaren nachhaltig­en Effekt gehabt.“

Wenn die Politiker wirklich an Bildungsge­rechtigkei­t interessie­rt wären, dann würden sie sich öfter in die Schulen begeben und sich anhören, wo der Schuh wirklich drückt: Mangel an Sozialarbe­itern, Mangel an Schulpsych­ologen, Mangel an Sprachkurs­en, fehlende echte Autonomie. Zu tun gäbe es genug! Mag. Markus Kerschbaum­er

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