Der Zugriff aufs Vermögen ist weg, die Baustelle bleibt
Ein längst fälliger Schritt wird gesetzt. Wie er sich aufs äußerst filigrane Pflegesystem auswirkt, ist völlig ungewiss.
Die gute Nachricht: 2018 fällt die De-facto-Enteignung im Pflegeheim. Das ist ein richtiger und längst fälliger Schritt, der das Zeug dazu hätte, eine klaffende Lücke im Solidarsystem zu schließen. Der Pflegeregress ist zutiefst ungerecht. Er trifft die, die das Pech haben, zum Pflegefall zu werden, sich ihr Leben lang bemüht haben, Eigentum zu erarbeiten und Reserven für die Pension anzulegen – und nicht schlau oder schnell genug waren, ihr Hab und Gut rechtzeitig zu verschenken oder zu vererben. 40.000 Pflegeheimbewohner und ihre Familien können aufatmen.
Die schlechte Nachricht: Die blitzartige Abschaffung des Pflegeregresses trifft die zuständigen Länder und Gemeinden völlig unvorbereitet. Niemand weiß, was das für die äußerst filigrane Pflegelandschaft in Österreich bedeuten wird, in der es übrigens 450.000 Pflegebedürftige samt Familien gibt.
Es war ja schon bisher unmöglich, sich auf eine ernst zu nehmende Pflegestrategie zu einigen oder auch nur aussagekräftige Einschätzungen darüber zu erstellen, wie groß der Bedarf wo und wofür ist, wie er sich entwickeln dürfte und was sich die Betroffenen wünschen würden – außer ihren Kindern nicht zur Last zu fallen. Anzunehmen, dass der Zustrom Richtung Alters- und Pflegeheime, der in den vergangenen Jahren dank 24-Stunden-Betreuerinnen und des enormen Einsatzes pflegender Angehöriger nur langsam wuchs, deutlich steigen wird. Nur: Wie schnell? Wie stark? Fehlten nicht zuletzt schon Heimplätze? Gab es nicht zuletzt schon Klagen über Personalmangel? Zeigte die Volksanwaltschaft nicht erst jüngst eine Reihe von Missständen auf?
Völlig unklar ist die Finanzierung. Am Mittwoch wurde der zusätzliche Geldbedarf der Länder mit mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Am Donnerstag waren es aus Regierungssicht plötzlich nur noch 100 Millionen Euro. Und die sollen durch eine ab 2019 (!) einsetzende Missbrauchsbekämpfung bei der E-Card und dadurch hereinkommen, dass die Heime künftig die Medikamente billiger bestellen können? Mit Verlaub: Das klingt nach schlechtem Witz, nach einem Wahlzuckerl zulasten der Länder und Gemeinden, nach der nächsten Steuererhöhung und dem nächsten Sparpaket.
Die Regierung hatte vier Jahre Zeit, gemeinsam mit den Ländern vernünftige Weichen im Pflegesystem zu stellen und bei dieser Gelegenheit den Pflegeregress abzuschaffen. Die Weichen sind nicht gestellt. Die Pflege ist jetzt eine noch größere Baustelle. Und das ist leider eine wirklich schlechte Nachricht.