Handwerker suchen digitale Heimat
Handwerk und Gewerbe im Land sind der Tradition verbunden. Passen da digitalisierte Arbeitsplätze und Prozesse dazu? Ja, sagen Experten und empfehlen, dass auch Klein- und Mittelbetriebe neu denken und arbeiten lernen.
SALZBURG. Franz Asen ist aufgeregt. Dem sonst so besonnenen Unternehmer aus Seekirchen geht die Weiterentwicklung der Gewerbeund Handwerksbetriebe im Land nicht schnell genug voran. Alles drehe sich bei der Digitalisierung immer nur um die Industrie, kritisiert der Stahl- und Metallbauunternehmer. Dabei würden vor allem die Klein- und Mittelbetriebe zunehmend ins Hintertreffen geraten. „Es braucht einen Weckruf, wohin wir gehen.“Viele Betriebe seien noch nicht modern genug organisiert, „es fehlt das Bewusstsein für die Digitalisierung“.
Zahlen belegen diese Einschätzung. Ein Drittel der österreichischen Unternehmen sieht derzeit keinen Bedarf für Investitionen zur Förderung der Digitalisierung im Betrieb, ergab eine jüngste Umfrage des Kreditschutzverbandes KSV 1870 unter seinen Mitgliedern und Kunden. Dabei gehen drei von vier Firmen davon aus, dass sie die Digitalisierung betreffen wird.
Die erste Halbjahresbilanz 2017 der KMU Forschung Austria für das Gewerbe und Handwerk in Österreich zeichnet ein noch detaillierteres Bild. So zeigt sich beim Unternehmenserfolg ein deutliches Auseinanderdriften nach Betriebsgrößen: „Bei den Kleinstbetrieben ist nach wie vor ein Minus vor der Entwicklung“, sagt Direktor Walter Bornett. Im Allgemeinen sei die Entwicklung in Handwerk und Gewerbe derzeit zwar positiv, „aber sie ist schwächer als in anderen Sektoren“.
Zwar haben Wirtschaftskammer und Wirtschaftsministerium einen gemeinsamen Förderplan für das Handwerk & Gewerbe 4.0. Die Umsetzung jedoch steht erst am Anfang. Derzeit werde in den einzelnen Branchen der Bedarf erhoben, sagt der Spartengeschäftsführer in der Salzburger Wirtschaftskammer, Wolfgang Hiegelsperger. Nach der Evaluierung soll dann jenen Betrieben, die Unterstützung im digitalen Wandel brauchen, ein kostenloser Betriebsberater zur Verfügung gestellt werden. 1,5 Tage seien über das Förderprogramm finanziert.
Hiegelspergers Einschätzung zum Status quo: Von den rund 16.000 Gewerbe- und Handwerksbetrieben in Salzburg sei ein Drittel in puncto Digitalisierung bereits gut unterwegs, ein Drittel stecke gerade im Wandel – „die brauchen uns“– und ein Drittel „will oder muss vielleicht gar nicht“. Anhand einer aktuellen Vorstudie zur Digitalisierung in der Sparte Tischler & Holzgestalter, für die von der Fachhochschule Salzburg (Studiengang Betriebswirtschaft) elf Betriebe analysiert wurden, kann man eine Vorstellung davon gewinnen, wie viel und was noch zu tun ist.
Nur drei der elf analysierten Betriebe weisen einen hohen Digitalisierungsgrad und eine Durchgängigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette auf. Weitere fünf Unternehmen sind zwar bei den produktionsnahen Prozessen gut unterwegs, „aber beim ,Rundum‘ – der Kundenakquise in 3D, eigenen Apps, Onlineshops, Konfiguratoren oder der vernetzten Rechnungslegung –, da fehlt es noch“, sagt Studienleiter Veit Kohnhauser, wissenschaftlicher Leiter und KMU-Experte an der Fachhochschule Salzburg. Drei weitere Betriebe schließlich arbeiten in teilautomatisierten Prozessen und haben so gut wie keine Datenvernetzung. „Das geht auch“, betont Kohnhauser, „aber es ist eine totale Nische für sehr kleine Betriebe.“Großes Wachstum könne so allerdings nicht entstehen. Ab 20 Mitarbeitern komme man um eine Digitalisierung nicht herum.
Und was behindert den digitalen Wandel in den Tischlereien? Großes Thema sei die IT-Sicherheit, aber auch das fehlende Know-how, welche moderne Dienstleistung man eigentlich zukaufen müsse oder sollte. „Hier gibt es noch viele offene Fragen“, betont Kohnhauser. Er empfiehlt organisierte IT-Schulungen und eine branchenspezifische IT-Fachberatungsstelle in der Wirtschaftskammer. Eine höhere Effizienz und Kostenersparnis könnte ein Produktionsnetzwerk der Betriebe bringen. „Moderne CNC-Maschinen sind teuer, nicht alle aber sind immer gleich gut ausgelastet“, erklärt Kohnhauser. Ähnlich den Hotelplattformen im Tourismus könnte eine Branchenplattform Aufschluss darüber geben, welche Kapazitäten auf welcher Maschine gerade verfügbar seien. Derzeit gebe es zwar auch Austausch zwischen den Betrieben, „aber der passiert so, dass man sich halt kennt und gegenseitig hilft“.
Und was bringt die Digitalisierung einer Tischlerei? „Viel an Zeitund Kostenersparnis, wenn es einmal läuft“, sagt Josef Langegger aus Saalbach. Mit seiner Tischlerei Flexinno, die er in zweiter Generation führt, hat er sich vor 15 Jahren auf den Bau von flexiblen Klappbettsystemen für die Beherbergungsbranche spezialisiert. In die Vernetzung und Digitalisierung des 16-Mitarbeiter-Betriebs hat er bisher „locker 500.000 Euro“investiert, der Umsatz habe sich in den vergangenen Jahren allerdings „mindestens verdoppelt“. Dass man dem Kunden durch die Software-unterstützte Planung schon ein Foto der Einrichtung zeigen könne, ehe man mit der Produktion überhaupt begonnen habe, sei „ein Riesenvorteil“, betont der Pinzgauer.
Jobs eingespart habe man durch die Digitalisierung im Betrieb nicht. Stattdessen habe man die Kapazitäten erhöht. Durch 4.0 im Betrieb sei man als Arbeitgeber für junge Fachkräfte sogar interessanter geworden. Als Nächstes will sich Lang- egger für den Prototypenbau einen 3D-Drucker anschaffen.
Auch Metallbauspezialist Franz Asen denkt daran, sich demnächst einen digital gesteuerten 3D-Laserscanner anzuschaffen, mit dem sich die Kontur eines Handlaufs ruckzuck abnehmen lässt. Das Abgehängtwerden der noch analog und nicht vernetzt arbeitenden Handwerker wähnt er bereits zum Greifen nahe, vor allem in der Bauwirtschaft, in der Papier und Reißbrett eingemottet werden und immer häufiger mit digitalem und vernetztem „Building Information Modeling“(BIM, engl. für Gebäudedatenmodellierung) geplant und gearbeitet wird. „Wenn du als Handwerker und Gewerbetreibender da nicht mitspielen kannst, hast du irgendwann keinen Zugang mehr zu Aufträgen“, sagt der Chef von 40 Mitarbeitern.
Die große Gefahr, die er derzeit sieht: Die großen Baukonzerne wie Porr und Strabag könnten eine eigene digitale und vernetzte Marktmacht aufbauen wie seinerzeit Google oder Facebook im Internet. Um das zu verhindern, betont Asen, brauche Österreich – ähnlich dem Schweizer Modell „Bauen Digital Swiss“– eine nationale BIM-Plattform für die Baubranche und ihre Nebengewerbe.
„IT-Sicherheit ist ein großes Thema.“Veit Kohnhauser, FH Salzburg