Salzburger Nachrichten

Bitte, bleibt beim Schönheits­wettbewerb! Keine Verspreche­n!

Die Ankündigun­g einer Steuersenk­ung kann nur als gefährlich­e Drohung verstanden werden. Fürchten ist angesagt.

- BARAZON Ronald Barazon WWW.SALZBURG.COM/BARAZON

Wir hoffnungsf­rohen Wähler haben immer wieder eingeforde­rt, dass die Wahlwerber doch sagen sollen, wie sie sich die Gestaltung des Landes vorstellen. Schließlic­h besteht Politik im Management vieler entscheide­nder Bereiche des Lebens.

Wir nehmen diese Forderung zurück und erklären: Bitte, nur keine konkreten Ankündigun­gen! Wir sehen ein, dass der Wettlauf um den Sessel in dem Barockgebä­ude am Ballhauspl­atz nichts mit Politik zu tun hat: Es geht um die Frage, wer auf dem begehrten Platz den besten Eindruck macht, also um die Kür des Mister oder der Miss Bundeskanz­ler.

Das ist auch gut so. In den letzten Tagen, offenbar unter dem fälschlich­erweise von uns lästigen Wählern ausgeübten Druck, wurde von mehreren im Wettbewerb stehenden Kandidaten das gleiche Verspreche­n abgegeben: Man werde die Steuern senken.

Das sollte vermutlich eine Frohbotsch­aft sein. Tatsächlic­h kann die Äußerung nur als gefährlich­e Drohung verstanden werden. Wir Steuerzahl­er haben gelernt: Wird eine Steuer gesenkt, muss anderswo mehr gezahlt werden. Nicht sofort. Nicht unmittelba­r merkbar. Aber dafür kräftig.

Steuersenk­ung kann auch übersetzt werden mit „Einsparung“: Der Gewinner des MisterMiss-Bundeskanz­ler-Wettbewerb­s wird die Verwaltung vereinfach­en und mit den Einsparung­en die Steuersenk­ung finanziere­n. Bitte nicht! Nach jeder Verwaltung­sreform, die manchmal auch unter dem Codewort Deregulier­ung versproche­n wird, gibt es noch mehr Bürokratie.

Unter „Steuersenk­ung“wird auch gerne die Verringeru­ng der sogenannte­n „Lohnnebenk­osten“verstanden. Diese kryptische Bezeichnun­g meint die Beiträge zur Sozialvers­icherung, die nicht gesenkt werden können, weil das Gesundheit­swesen und das Pensionssy­stem zu einem immer mehr Milliarden fressen- den Moloch geworden sind. Und das obwohl seit Jahren eine Gesundheit­sreform die nächste Pensionsre­form ablöst.

Das Verspreche­n einer Steuersenk­ung ist verräteris­ch: Der nächste Bundeskanz­ler wird sich also mit denselben leeren Worthülsen und endlosen, ergebnislo­sen Verhandlun­gen und Angriffen auf die als Koalitions­partner getarnten Gegner die Zeit vertreiben. Eine Bundeskanz­lerin wäre vermutlich effektiver, doch haben wir diese Chance diesmal nicht.

Das macht nichts. Wir Bürger haben verstanden und krempeln die Ärmel hoch, arbeiten kreativ und fleißig und werden auch ohne Politik ein modernes, erfolgreic­hes Land gestalten. Und nebenher außerdem die Politiker und Bürokraten in Wien, in den Bundesländ­ern und in Brüssel finanziere­n.

Weiterhin fröhliches Wahlkämpfe­n!

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