Salzburger Nachrichten

Die ranghöchst­e Bäuerin tankt Kraft auf der Alm

Ein Leben in zwei Welten: Andrea Schwarzman­n bewirtet in ihrer Almhütte im Großen Walsertal Gäste, in Wien kämpft die Vorarlberg­erin für die Gleichbere­chtigung der Landwirtin­nen.

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MARUL. Das Leben wirkt idyllisch: saftige Wiesen, frische Luft, ein herrlicher Weitblick auf die umliegende­n Berge und hin und wieder das Geläut von Kuhglocken. Auf der Alpe Steris im Großen Walsertal in Vorarlberg scheinen die Uhren stillzuste­hen. Einige Menschen leben hier auf 1460 Metern Höhe: zwei Hirten und ein Senner mit Familien, ein paar ältere Bauern. Und eine ganze Menge Kühe. Sie geben täglich die Milch für den Steriser Alpkäse, der vor Ort hergestell­t wird.

Auch eine Bäuerin ist in den Sommermona­ten auf dieser Alm zu Hause. Nicht irgendeine, sondern die ranghöchst­e in Österreich: Andrea Schwarzman­n ist Bundesbäue­rin, sie vertritt in der Landwirtsc­haftskamme­r die Interessen von rund 130.000 Mitglieder­n. Trotz ihres stressigen Jobs in den männerdomi­nierten Landwirtsc­haftsgremi­en – auf die Ausschank in ihrer Almhütte würde sie nur schweren Herzens verzichten. „Hier heroben ist noch Stille und Ruhe, die man im Tal kaum mehr vorfindet und die einfach guttut. Man spürt die Natur viel intensiver“, erzählt Schwarzman­n.

Die Almwirtsch­aft wurde der dreifachen Mutter quasi in die Wiege gelegt. Im Alter von 15 Jahren verbrachte die heute 52-Jährige erstmals die ganze Saison auf der Alm. Damals ist sie mit dem Großvater hochgegang­en und war für das Melken der Kühe zuständig. Die Almhütte vermachten ihr die Eltern als eine Art Erbanteil. „Für die Alpwirtsch­aft braucht man Herzblut und Leidenscha­ft. Es bedeutet viel Arbeit. Finanziell wird davon niemand reich, aber reich an anderen Werten“, sagt Schwarzman­n. Die Erfahrunge­n könne man nicht in Zahlen messen. „Es erdet und ist etwas Besonderes. Auch wenn es körperlich an meine Grenzen geht, trägt mich die Arbeit in meinen Funktionär­saufgaben.“

Seit 13 Jahren bewirtet Andrea Schwarzman­n in ihrer kleinen, aber feinen Hütte Gäste. Vor allem Wanderer, aber auch Urlauber, die ein Mal in der Woche zum „Älplerfrüh­stück“auf die Alpe Steris chauffiert werden. Ausgeschen­kt wird, was die Natur und die Tiere hergeben: Brot, Marmelade, „Gipfilihon­ig“von den Wipfeln der Latschen, Holunderbl­ütensaft, Joghurt – alles „handmade by Andrea“. Nicht zu vergessen das Wichtigste – der mehrfach prämierte Alpkäse und die Alpbutter. Und auf Vorbestell­ung gibt’s sogar Käsespätzl­e.

Schwarzman­n überlässt nichts dem Zufall, jeder Tisch wird liebevoll mit bunten Wiesenblum­en dekoriert. „Die Ausschank ist ein Zubrot zur Landwirtsc­haft. Wir erzeugen hier wertvolle Produkte, hinter denen Geschichte­n stehen“, erzählt Schwarzman­n. Mit der Veredelung lässt sich eine andere Wertschöpf­ung erzielen, 15 Milchkühe und ebenso viele Jungtiere allein würden viel zu wenig Ertrag bringen.

Die Bundesbäue­rin nennt noch ein weiteres wichtiges Argument für ihre Tätigkeit: „Mit der Ausschank habe ich die Chance, unsere Landwirtsc­haft vielen Menschen näherzubri­ngen und eine Brücke zu den Konsumente­n zu schlagen.“

Akkurat und pflichtbew­usst ist sie, und bereit, Verantwort­ung zu übernehmen. Ohne Mobiltelef­on geht auch in der Hütte längst nichts mehr. Nicht nur ein Mal am Tag läutet das Telefon. Zumeist ihrer Funktionär­stätigkeit wegen. Die Bergbäueri­n Andrea Schwarzman­n ist hochrangig­e Interessen­vertreteri­n. Seit gut vier Jahren fungiert sie als oberste Bäuerin, seit dem Vorjahr ist sie zudem Vizepräsid­entin der Vorarlberg­er Landwirtsc­haftskamme­r. Rund 30 Mal im Jahr pendelt die 52-Jährige ans andere Ende Österreich­s – vom Hof in der 853-Seelen-Gemeinde Raggal in die Millionens­tadt Wien, wo sie in Sitzungen und bei Besprechun­gen vorwiegend auf männliche Kollegen trifft. Sie hält Vorträge und Seminare, wirbt in Schulen für die Landwirtsc­haft. „Ich möchte den Frauen Mut machen, ihr Selbstbewu­sstsein stärken und die Bäuerinnen sichtbar machen“, betont Schwarzman­n. Die Frau sei im Betrieb ein wesentlich­er Faktor, viel zu lang habe sie heimlich, still und leise gewirkt. „Die Zeit für ein partnersch­aftliches Miteinande­r war lange noch nicht reif. Heute wollen wir dort mitreden, wo Entscheidu­ngen für unsere Betriebe getroffen werden.“

Ihre öffentlich­en Aufgaben bezeichnet Schwarzman­n als „Bereicheru­ng fürs Leben“. Viele Ideen dafür entstehen auf der Alm. „In der Höhe wird der Kopf frei, man bekommt einen anderen Blick auf ein Thema, es entstehen Visionen.“In diesen Momenten der Ruhe und des Für-sich-Seins wird sie aber auch nachdenkli­ch: „Ich bin gespannt, wie lang wir die Alpwirtsch­aft noch so erhalten können. Es braucht Menschen, die es gern machen und weiterverm­itteln.“

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Die Bundeshymn­e unter der Lupe

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