Lasst uns eigene Plattformen bauen!
Wer Datengold schürfen will, muss über seinen Schatten springen.
Man glaubt es kaum: Dort, wo es bis vor Kurzem noch um Handwerkskunst, Freundlichkeit und Muskelkraft ging, kommt mit einem Mal eine abstrakte Größe ins Spiel. In den Unternehmen, in Branchenvertretungen und bei Veranstaltungen wird mittlerweile mit einem sehnsuchtsvollen Ton in der Stimme über Daten diskutiert: Wie kann man sie nutzen, was wäre damit alles möglich? Bis vor Kurzem interessierte das vor allem größere Produktionsbetriebe, die sich mit Automatisierung und Industrie 4.0 beschäftigen. Jetzt rückt der Begriff ins Herzstück der „Lowtech“-Branchen: Allmählich wird greifbar, dass es nicht um Spielerei für die Großen, sondern um Chancen im Alltag geht: Die Wirtin könnte punktgenau neue Zielgruppen ansprechen und damit das Haus besser füllen. Sie könnte ihren Personalbedarf anhand der Daten zu Wetter und Reisebewegungen prognostizieren – hätte sie nur Zugang zu den entsprechenden Daten. Der Landwirt könnte Aussaat und Ernte genauer planen und höhere Erträge einfahren – hätte er Zugang zu langjährigen, für seine Kulturen und Flächen relevanten Daten und Hochrechnungen.
Doch das Gold der Zukunft kann nicht einfach aus dem Stein geholt werden: Daten müssen intelligent gesammelt, geordnet und verknüpft werden. Das ist langwierig, viel Arbeit und geht nur im Großen. Zudem gilt im digitalen Geschäft häufig der Grundsatz „The win- ner takes it all“– wer sich durchsetzt, bekommt alles. Mit den Daten kommt die Macht. Das beweisen Google, Amazon, die großen Buchungsplattformen und die Autohersteller, die Daten von jedem Autofahrer absaugen. Welche Chance haben da die Kleinen?
Sehr gute, sofern sich in den Betrieben, bei Sozialpartnern und in der Verwaltung das „wir“gegenüber dem „ich“durchsetzt: Klein strukturierte Branchen haben nur dann eine Chance, wenn sie übergeordnete Strukturen und Plattformen aufbauen, wie etwa eine nationale BIM-Plattform (Building Information Modeling – digitale Gebäudedatenmodellierung) für die Baubranche und Nebengewerbe (ein Vorschlag in den SN vom 19. Juli). Dort geht es zwar nicht primär um das Sammeln von Daten, jedoch um einen digitalen Prozess, der künftig viele Daten über Gebäude, Siedlungen und Stadtteile generieren wird. Die Landwirtschaft bräuchte ein intensives Miteinander der Bundesländer, ihrer Landeskammern und Produktionsverbände, damit Agrardaten sinnvoll zusammengeführt und von den Bauern genutzt werden könnten. Gleiches gilt für den Tourismus, wo man Gäste- und Strukturdaten in den Ländern klug sammeln und in einem überregionalen Datenpool zusammenführen sollte. Dafür braucht es freilich ein Überspringen alter Grenzen: Ohne einen neuen Geist hat es keinen Sinn, sich den Datenträumen hinzugeben. Gertraud Leimüller leitet ein Unternehmen für Innovationsberatung in Wien und ist stv. Vorsitzende der creativ wirtschaft austria. SALZBURG.COM/GEWAGTGEWONNEN