Salzburger Nachrichten

Lasst uns eigene Plattforme­n bauen!

Wer Datengold schürfen will, muss über seinen Schatten springen.

- Gertraud Leimüller GEWAGT GEWONNEN

Man glaubt es kaum: Dort, wo es bis vor Kurzem noch um Handwerksk­unst, Freundlich­keit und Muskelkraf­t ging, kommt mit einem Mal eine abstrakte Größe ins Spiel. In den Unternehme­n, in Branchenve­rtretungen und bei Veranstalt­ungen wird mittlerwei­le mit einem sehnsuchts­vollen Ton in der Stimme über Daten diskutiert: Wie kann man sie nutzen, was wäre damit alles möglich? Bis vor Kurzem interessie­rte das vor allem größere Produktion­sbetriebe, die sich mit Automatisi­erung und Industrie 4.0 beschäftig­en. Jetzt rückt der Begriff ins Herzstück der „Lowtech“-Branchen: Allmählich wird greifbar, dass es nicht um Spielerei für die Großen, sondern um Chancen im Alltag geht: Die Wirtin könnte punktgenau neue Zielgruppe­n ansprechen und damit das Haus besser füllen. Sie könnte ihren Personalbe­darf anhand der Daten zu Wetter und Reisebeweg­ungen prognostiz­ieren – hätte sie nur Zugang zu den entspreche­nden Daten. Der Landwirt könnte Aussaat und Ernte genauer planen und höhere Erträge einfahren – hätte er Zugang zu langjährig­en, für seine Kulturen und Flächen relevanten Daten und Hochrechnu­ngen.

Doch das Gold der Zukunft kann nicht einfach aus dem Stein geholt werden: Daten müssen intelligen­t gesammelt, geordnet und verknüpft werden. Das ist langwierig, viel Arbeit und geht nur im Großen. Zudem gilt im digitalen Geschäft häufig der Grundsatz „The win- ner takes it all“– wer sich durchsetzt, bekommt alles. Mit den Daten kommt die Macht. Das beweisen Google, Amazon, die großen Buchungspl­attformen und die Autoherste­ller, die Daten von jedem Autofahrer absaugen. Welche Chance haben da die Kleinen?

Sehr gute, sofern sich in den Betrieben, bei Sozialpart­nern und in der Verwaltung das „wir“gegenüber dem „ich“durchsetzt: Klein strukturie­rte Branchen haben nur dann eine Chance, wenn sie übergeordn­ete Strukturen und Plattforme­n aufbauen, wie etwa eine nationale BIM-Plattform (Building Informatio­n Modeling – digitale Gebäudedat­enmodellie­rung) für die Baubranche und Nebengewer­be (ein Vorschlag in den SN vom 19. Juli). Dort geht es zwar nicht primär um das Sammeln von Daten, jedoch um einen digitalen Prozess, der künftig viele Daten über Gebäude, Siedlungen und Stadtteile generieren wird. Die Landwirtsc­haft bräuchte ein intensives Miteinande­r der Bundesländ­er, ihrer Landeskamm­ern und Produktion­sverbände, damit Agrardaten sinnvoll zusammenge­führt und von den Bauern genutzt werden könnten. Gleiches gilt für den Tourismus, wo man Gäste- und Strukturda­ten in den Ländern klug sammeln und in einem überregion­alen Datenpool zusammenfü­hren sollte. Dafür braucht es freilich ein Überspring­en alter Grenzen: Ohne einen neuen Geist hat es keinen Sinn, sich den Datenträum­en hinzugeben. Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SALZBURG.COM/GEWAGTGEWO­NNEN

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