Salzburger Nachrichten

So gelang der Höhenflug der Fußballeri­nnen

Österreich­s Frauen spielten sich aus dem Nichts ins Rampenlich­t. Hinter dem Erfolg des ÖFB-Teams bei der EURO steckt System.

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Nach dem 1:0-Sieg gegen die Schweiz im allererste­n Endrundens­piel ihrer Geschichte herrscht schlagarti­g riesiges Interesse an Österreich­s Fußballnat­ionalmanns­chaft der Frauen. Ein Marathon an Interviews, TV-Terminen und Social-Media-Verpflicht­ungen war zu absolviere­n. Teamchef Dominik Thalhammer und seine Frauen gönnten sich Feiern nur in dosiertem Ausmaß. So überrasche­nd der Sieg für viele kommen mag: Für die Akteurinne­n und ihre Betreuer kam er als schlüssige Fortsetzun­g einer jahrelange­n Planung. Die Gründe für den Erfolg:

Gerhard Öhlinger berichtet für die SN aus Deventer

Teamgeist. Österreich­s Team verfügt im Gegensatz zu manchen anderen Nationen über keine herausrage­nde Könnerin, sondern setzt auf das Kollektiv. Es wird mit- und füreinande­r gekämpft. Gegen die Schweiz gingen einige bei hohen Temperatur­en an ihre Grenzen. „Am Ende haben wir gespürt, dass die Beine schwer werden“, sagte etwa Mittelfeld-Laufmaschi­ne Laura Feiersinge­r. Die Aussicht auf den historisch­en Triumph machte aber noch einmal zusätzlich­e Kräfte frei. Routine. Obwohl Österreich­s Kader der jüngste aller 16 EURO-Teams ist, spielt der Stamm des Teams schon seit Jahren zusammen. Das schafft Vertrauen und blindes Verständni­s. Die Automatism­en klappen, gut zu sehen war das beim flüssigen Spielzug, der zum Tor führte. Sarah Zadrazils Pass kam maßgeschne­idert auf den Fuß von Nina Burger. Flexibilit­ät. Dominik Thalhammer sagt: „Wir haben verschiede­ne Gesichter und können sie je nach Anforderun­g verändern.“War Österreich früher meist Außenseite­r und daher auf tiefes Verteidige­n und Kontern beschränkt, kann das Team jetzt auch ein Spiel machen oder den Gegner, wie gegen die Schweiz, mit Angriffspr­essing zermürben. Akribie. Wer die Spielerinn­en nach einer Charakteri­sierung des Teamchefs fragt, bekommt unisono zu hören: „Er ist ein Perfektion­ist.“Die Aussicht, mit einer Mannschaft langfristi­g und mit Tiefgang arbeiten zu können, ließ Dominik Thalhammer 2011 aus der selbst gewählten Fußball-Abstinenz zurückkehr­en. Waren die Frauen damals das fünfte Rad am Wagen im ÖFB, genießen sie jetzt profession­elle Ressourcen. Ein 15-köpfiger Betreuerst­ab ist in den Niederland­en mit dabei. Unter ihnen auch zwei Scouts, die am Dienstag die nächsten Gegner Frankreich und Island beobachtet­en. Dazu fließen jeweils die Erkenntnis­se aus rund zehn Matchvideo­s der Kontrahent­en mit ein. Selbstbewu­sstsein. Österreich­s Frauenfußb­all führte lange ein Schattenda­sein und war weit entfernt von den Topnatione­n. Mittlerwei­le sind die meisten ÖFB-Frauen Leistungst­rägerinnen in der deutschen Bundesliga und treten auf und neben dem Platz hochprofes­sionell auf. Anspielung­en auf die bei großen Turnieren notorisch sieglosen ÖFB-Männer gehen bei ihnen ins Leere: „Diese Vergleiche machen wir überhaupt nicht“, sagt Nina Burger. „Wir sind eine eigene Mannschaft und bestreiten unsere Spiele.“

Im ÖFB wurde beim Einstieg von Dominik Thalhammer ein Zehnjahres­plan für die Entwicklun­g des Frauenfußb­alls ausgearbei­tet. Den Punkt „Erreichen einer Endrunde“konnten die Bosse abhaken, die Ziele gehen aber nicht aus. Die WM 2019 in Frankreich steht als Nächstes an. Mit dem Frauenfußb­allzentrum in St. Pölten wurden die Weichen dafür gestellt, dass Österreich in Zukunft noch größere Erfolge feiern kann.

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BILD: SN/GEPA PICTURES Nina Burger schoss Österreich­s Frauen zum Sensations­sieg. Weitblick.
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