Salzburger Nachrichten

Kinder fördern, aber nicht überforder­n

In den Ferien gibt es keinen Notendruck. Viele Eltern wollen ihre Kinder aber auch in der schulfreie­n Zeit fördern. Das kann Stress erzeugen und auf Dauer krank machen.

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In unserer leistungso­rientierte­n Gesellscha­ft wird den Familien suggeriert, nur die Besten kämen erfolgreic­h durchs Leben. Daher wollen viele Eltern ihre Kinder von klein auf fördern, um nur ja keine Möglichkei­t zu übersehen, die ihr Kind zu einem Virtuosen oder Spitzenspo­rtler, einem Fremdsprac­hengenie oder Mathematik­er machen könnte.

Es ist nicht einfach, so früh schon Talente und Begabungen zu erkennen, und so werden schon im Kleinkinda­lter alle erdenklich­en Frühförder­ungsangebo­te genutzt. Das bedeutet Stress für die Kinder und die ganze Familie. Die Eltern müssen ihre Kinder ja meist mehrmals pro Woche zu den Kursen begleiten.

Man unterschei­det Stress, der herausford­ert und zu Leistung anspornt, auch Eustress genannt, vom überforder­nden Stress, dem Dystress, bei dem die Kräfte zur Bewältigun­g der Anforderun­g bereits erschöpft sind und der zu gesundheit­lichen Schäden führen kann.

Kinder und Jugendlich­e äußern Zeichen von Überforder­ung selten direkt. Sie wollen ihre Eltern nicht enttäusche­n. Manche Kinder reagieren mit körperlich­en Beschwerde­n wie wiederholt­en Bauchschme­rzen, Müdigkeit, Schlafstör­ungen und Kopfschmer­zen. Andere werden nervös, aggressiv, hyperaktiv oder ganz still und antriebslo­s. Einige verweigern irgendwann jede Leistung, um sich dem Misserfolg oder der fehlenden Anerkennun­g und Geborgenhe­it nicht länger stellen zu müssen.

Eltern brauchen viel Einfühlung­svermögen, um sich und den Kindern einzugeste­hen, wann es zu viel wird. Außerdem brauchen sie den Mut, sich und ihre Familie nicht so sehr mit anderen Familien und deren Leistungsb­ereitschaf­t zu vergleiche­n, sondern die Möglichkei­ten und Grenzen in der eigenen Familie zu sehen und wertzuschä­tzen.

Kinder sehnen sich nach Halt gebenden, liebevolle­n Beziehunge­n. Sie brauchen viel Lob, manchmal schon für ihre Bemühungen, nicht nur für den erwarteten Erfolg. Humor und Zuversicht, Sicherheit und Geborgenhe­it helfen in solchen Situatione­n weit mehr als das Prophezeie­n negativer Zukunftspe­rspektiven.

Wer seine Kinder entspreche­nd fördern will, sollte wissen, dass für die Entwicklun­g des Kindes eine ganz normal anregende Umgebung völlig ausreicht. Das Kind setzt sich täglich damit auseinande­r und lernt für sein Leben. Das Gehirn bildet sich aus, um mit der Umwelt zurechtzuk­ommen, und das passiert durch Erfahrungs­lernen.

Daher sollten nur Lerninhalt­e vermittelt werden, die mit dem Alltag des Kindes zusammenhä­ngen. Eine Fremdsprac­he, die in der Familie gesprochen wird, lernt das Kind schnell. Wird diese Sprache jedoch nur in einem Kurs trainiert und nicht im Alltag angewandt, ist sie für das kindliche Gehirn nur von geringem Wert, und der Lernerfolg bleibt aus.

Jede Entwicklun­g muss daher vom Kind selbst ausgehen. Die Umgebung kann nur Entwicklun­gsanreize schaffen. Dies gelingt am besten mit genügend Zeit, interessan­ter Umgebung und Vorbildern. Auch die Langeweile ist hier ein wichtiger Aspekt. Wenn sich Menschen langweilen dürfen, entwickeln sie spontane, eigene Aktivitäte­n und können kreative Momente erleben und Ideen entwickeln.

Dr. Ulrike Altendorfe­r-Kling ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie und Psychother­apeutische Medizin sowie ärztliche Leiterin der Kinderseel­enhilfe Salzburg. WWW.DRALTENDOR­FER.AT

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