Kinder fördern, aber nicht überfordern
In den Ferien gibt es keinen Notendruck. Viele Eltern wollen ihre Kinder aber auch in der schulfreien Zeit fördern. Das kann Stress erzeugen und auf Dauer krank machen.
In unserer leistungsorientierten Gesellschaft wird den Familien suggeriert, nur die Besten kämen erfolgreich durchs Leben. Daher wollen viele Eltern ihre Kinder von klein auf fördern, um nur ja keine Möglichkeit zu übersehen, die ihr Kind zu einem Virtuosen oder Spitzensportler, einem Fremdsprachengenie oder Mathematiker machen könnte.
Es ist nicht einfach, so früh schon Talente und Begabungen zu erkennen, und so werden schon im Kleinkindalter alle erdenklichen Frühförderungsangebote genutzt. Das bedeutet Stress für die Kinder und die ganze Familie. Die Eltern müssen ihre Kinder ja meist mehrmals pro Woche zu den Kursen begleiten.
Man unterscheidet Stress, der herausfordert und zu Leistung anspornt, auch Eustress genannt, vom überfordernden Stress, dem Dystress, bei dem die Kräfte zur Bewältigung der Anforderung bereits erschöpft sind und der zu gesundheitlichen Schäden führen kann.
Kinder und Jugendliche äußern Zeichen von Überforderung selten direkt. Sie wollen ihre Eltern nicht enttäuschen. Manche Kinder reagieren mit körperlichen Beschwerden wie wiederholten Bauchschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Andere werden nervös, aggressiv, hyperaktiv oder ganz still und antriebslos. Einige verweigern irgendwann jede Leistung, um sich dem Misserfolg oder der fehlenden Anerkennung und Geborgenheit nicht länger stellen zu müssen.
Eltern brauchen viel Einfühlungsvermögen, um sich und den Kindern einzugestehen, wann es zu viel wird. Außerdem brauchen sie den Mut, sich und ihre Familie nicht so sehr mit anderen Familien und deren Leistungsbereitschaft zu vergleichen, sondern die Möglichkeiten und Grenzen in der eigenen Familie zu sehen und wertzuschätzen.
Kinder sehnen sich nach Halt gebenden, liebevollen Beziehungen. Sie brauchen viel Lob, manchmal schon für ihre Bemühungen, nicht nur für den erwarteten Erfolg. Humor und Zuversicht, Sicherheit und Geborgenheit helfen in solchen Situationen weit mehr als das Prophezeien negativer Zukunftsperspektiven.
Wer seine Kinder entsprechend fördern will, sollte wissen, dass für die Entwicklung des Kindes eine ganz normal anregende Umgebung völlig ausreicht. Das Kind setzt sich täglich damit auseinander und lernt für sein Leben. Das Gehirn bildet sich aus, um mit der Umwelt zurechtzukommen, und das passiert durch Erfahrungslernen.
Daher sollten nur Lerninhalte vermittelt werden, die mit dem Alltag des Kindes zusammenhängen. Eine Fremdsprache, die in der Familie gesprochen wird, lernt das Kind schnell. Wird diese Sprache jedoch nur in einem Kurs trainiert und nicht im Alltag angewandt, ist sie für das kindliche Gehirn nur von geringem Wert, und der Lernerfolg bleibt aus.
Jede Entwicklung muss daher vom Kind selbst ausgehen. Die Umgebung kann nur Entwicklungsanreize schaffen. Dies gelingt am besten mit genügend Zeit, interessanter Umgebung und Vorbildern. Auch die Langeweile ist hier ein wichtiger Aspekt. Wenn sich Menschen langweilen dürfen, entwickeln sie spontane, eigene Aktivitäten und können kreative Momente erleben und Ideen entwickeln.
Dr. Ulrike Altendorfer-Kling ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin sowie ärztliche Leiterin der Kinderseelenhilfe Salzburg. WWW.DRALTENDORFER.AT