380 kV: Entscheidet künftig nur noch Wien?
War das Land Salzburg bei seinem Ja zur Stromleitung gar nicht zuständig? Diese rechtliche Frage könnte im Verfahren alles über den Haufen werfen.
WIEN, SALZBURG. Gegner und Betreiber der geplanten 380-kV-Leitung ringen bei der Berufungsverhandlung in Wien erbittert um jeden Mast, jeden Meter Abstand und jedes Dezibel beim Lärm während des Baus, aber auch um jeden Paragrafen. Juristische Feinheiten und eine mögliche Gesetzeslücke könnten nun dazu führen, dass die Karten total neu gemischt werden und dass das Projekt zur Gänze nach Wien „wandert“.
Obwohl die Trasse des zweiten Abschnitts der Höchstspannungsleitung nur auf Salzburger Gebiet, von Elixhausen nach Kaprun, verläuft, hatte der Projektbetreiber Austrian Power Grid (APG) auch Arbeiten am ersten, schon bestehenden Teil in OÖ geltend gemacht. Damit ist das Projekt bundesländerübergreifend und das Starkstromwegerecht des Bundes anzuwenden. Das erlaubt viel kleinere Abstän- de zu Wohnhäusern als das Salzburger Landeselektrizitätsgesetz. Nun könnte genau dieser OÖ-Bezug der APG auf den Kopf fallen. Weil nach neuesten rechtlichen Erkenntnissen nicht einwandfrei geklärt ist, welche Behörde bei grenzüberschreitenden Vorhaben ortszuständig ist, wäre der Unternehmenssitz der APG, also Wien, heranzuziehen und die Wiener Landesregierung die zuständige Behörde. Die zweite Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, müsste den Salzburger Bescheid also aufheben. Auf ein entsprechendes Rechtsgutachten von Prof. Nicolas Raschauer (Liechtenstein) kann Adolf Concin, Anwalt der Gemeinden Eugendorf und Koppl, verweisen. Richterin Silvia Krasa verschob Concins Antrag aber auf einen späteren Zeitpunkt.
Es könnte sein, dass überhaupt erst der Verfassungsgerichtshof die Misere mit der Ortszuständigkeit entscheiden muss. Allerdings gibt es auch gegensätzliche Fachmeinungen. Die Gegenseite kann sich auf ein Gutachten stützen, das Salzburgs Zuständigkeit eindeutig bejaht.
Die Richterin erklärte die Erörterungen über ein alternatives Erdkabel für beendet: „Projektgegenstand ist die Freileitung.“Das Bundesverwaltungsgericht hat aber auch darüber zu entscheiden, ob ein Erdkabel als Variante möglich gewesen wäre.
Immer mehr ins Kreuzfeuer geraten einige Gutachter im Verfahren. IG-Erdkabel-Anwalt Wolfgang List etwa hat beantragt, den Sachverständigen für Energiesysteme für befangen zu erklären. Aber auch dieser Antrag wird vorerst nicht behandelt.
„Gegenstand des Projekts ist die Freileitung.“Silvia Krasa, Richterin Bundesverwaltungsgericht