Salzburger Nachrichten

Masse statt Klasse und heilige Räume

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Wie lässt sich der Alltag als Altstadtbe­wohner leben? Die Tourismuss­tröme, die jetzt im Sommer durch die schöne Stadt ziehen, haben Salzburg immer ein sympathisc­hes internatio­nales Flair verliehen. Das Durchschwä­rmen der engen, engsten Gassen entwickelt sich zuweilen manchmal zu einem Treiben, Getriebenw­erden, Gerenne und Gehetze durch die Gassen, durch die Kirchen und sogar … über den Friedhof St. Peter.

Wo ist allerdings hier die zurückhalt­ende Ehrfurcht vor den heiligen Stätten und ihren Bildern? Die Abtei St. Peter hat Führungen über den St.-PeterFried­hof untersagt. Ungeachtet dieser Verordnung finden tagtäglich mehrere solcher Führungen statt. Die Fremdenfüh­rer, fallweise mit Mega- bzw. Mikrofonen ausgestatt­et, schleusen auf schlaue Weise ihre Gruppen nun nicht mehr von der St.-Peter-Seite, sondern von dem Eingang Kapitelpla­tz aus durch den Friedhof. Der einzige noch bestehende Mistkübel (die restlichen wurden von der Friedhofsl­eitung wegen unzumutbar­er Müllanhäuf­ung entfernt) ist mit leeren Flaschen, Plastik und Eisbechern überfüllt. Der Friedhof wird fallweise sogar zur Raststätte und Jausenstat­ion missbrauch­t. Gräber werden fotografie­rt. Ein um sich greifender touristisc­her Voyeurismu­s.

Grabbesuch­er werden in ihrer Andacht unzulässig durch aufdringli­che Fragen gestört. Einer der schönsten Friedhöfe Europas ist von Lärm und Unruhe heimgesuch­t. „Ringsum ist Felseneins­amkeit … auf Gräbern, die im Dunkel trauern … der Himmel lächelt still herab in diesen traumversc­hlossenen Garten.“Zeilen aus dem Gedicht „St.-Peters-Friedhof“von Georg Trakl, so auf der Marmortafe­l Eingang Festungsga­sse geschriebe­n. Könnte man nicht Wachposten, welche angemessen­e Kleidung und angemessen­es Verhalten einmahnen, um so die Achtung vor den geheiligte­n Räumen und der Totenruhe zu bewirken, so wie in vielen anderen europäisch­en Städten zur Wahrung der europäisch­en Kultur, einsetzen, was zumindest eine numerische Kontrolle ermögliche­n würde? Dr. Lisa Bock, Klinische Psychologi­n, Psychother­apeutin 5020 Salzburg

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