Der Erfolg von Netflix zeigt den Veränderungsbedarf des ORF
Der Umzug der globalen Unterhaltungsindustrie ins Bezahlfernsehen lässt nur eine nationale öffentlichrechtliche Nische übrig.
Die einen schauen schon dauernd Netflix. Die anderen wissen noch nicht einmal, was das ist. Dieser Videostreamingdienst via Internet gilt als „Game Changer“des TV-Geschäfts. Kein anderes Angebot verändert die Fernsehbranche derart schnell derart stark. Hierzulande bekannt durch die Serie „House of Cards“, verzeichnet Netflix global bereits 100 Millionen Abonnenten. Es investiert heuer fünf Milliarden Euro in Eigenproduktionen. Auch sein Konkurrent Amazon Video gibt dafür mehr aus als die US-Networks NBC, CBS, ABC und der Pay-TV-Sender HBO. Also ist nach dem Fernsehen schon die nächste Unterhaltungsindustrie im Visier: Netflix macht 2017 mit 40 eigenen Filmen Hollywood Konkurrenz.
Auch die herkömmlichen Bezahlfernsehprogramme wie Sky setzen zunehmend auf Videostreaming. Vor allem große Sportereignisse – von der Champions League bis zur Formel 1 – sind künftig wohl nur noch derart zusatzkostenpflichtig konsumierbar. Wer in Sachen aktueller Unterhaltung mitreden will, wird kräftig zur Kasse gebeten. Im sogenannten Free TV läuft bald nur noch, was übrig bleibt oder schon etwas Patina angesetzt hat. Das gilt für das Privatfernsehen wie die öffentlich-rechtlichen Anbieter.
Bei den Kommerzsendern, wie der ORF seine Mitbewerber gern herabwürdigt, entsteht daraus bloß eine Herausforderung ans Geschäftsmodell: Wie kann es Puls 4, ATV, Servus TV und oe24.tv gelingen, auch ohne aktuell herausragende Sportereignisse, TV-Serien und Kinofilme ausreichend Publikum zu binden, um damit hinreichend Werbekunden anzulocken, die den Programmbetrieb finanzieren?
Beim ORF dagegen geht es um die Rechtfertigung von 600 Millionen Euro jährlicher Rundfunkgebühr. Er hat dies bisher immer unter der (ein wenig) gesetzlichen und (wesentlich stärkeren) eigenen Definition des Vollan- bieters von Information und Unterhaltung getan. Dieses Selbstverständnis stammt aus der Zeit des Monopols. Es ist nicht ganz so überholt, wie die Entwicklung von Netflix & Co. glauben machen. Das gilt aber nur in der vom längstdienenden ORF-Chef Gerd Bacher präzisierten Variante vom nationalen Identitätsstifter und Kulturträger. Hollywood-Blockbuster und Formel 1 gehören nicht dazu.
Ausschließlich in dieser österreich-spezifischen Informations- und Unterhaltungsnische liegt die heimische öffentlich-rechtliche Zukunft. Das Unternehmen muss eine solche Rückbesinnung selbst vorantreiben. Wenn erst die Diskussion losgeht, mit wie vielen Millionen Euro die Abwanderung des alpinen Skiweltcups ins Pay TV verhindert werden kann oder soll, ist es für den ORF zu spät.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.