Salzburger Nachrichten

Präsident stoppt Parlament

Polens Staatsober­haupt stellt sich gegen die Nationalko­nservative­n. Er verweigert­e wesentlich­en Teilen der umstritten­en Justizrefo­rm seine Unterschri­ft.

- SN, n-ost

Polens Präsident Andrzej Duda (45) muss eines der schwierigs­ten Wochenende­n seines Lebens hinter sich haben. Auf seinem Schreibtis­ch lagen drei Gesetze, die bereits vom Parlament verabschie­det waren und nur noch auf seine Unterschri­ft warteten. Sie hätten der regierende­n PiS-Partei und deren Chef Jarosław Kaczyński entscheide­nde Macht über die Justiz eingeräumt. Seit Tagen demonstrie­rten Zehntausen­de Menschen auf Polens Straßen und forderten „Drei Mal Veto!“vom Präsidente­n.

Für viele völlig überrasche­nd kündigte Duda am Montag tatsächlic­h seinen Einspruch gegen zwei Gesetze an: gegen das Gesetz über den Obersten Gerichtsho­f und jenes über den Landesjust­izrat.

Bislang galt Polens Präsident als Marionette der Regierung. Nun betonte er bei einem TV-Auftritt, er werde die Gesetze innerhalb von zwei Monaten überarbeit­en und an das Parlament zurückschi­cken. Zwar benötigte das Justizsyst­em eine Reform, sie dürfe aber nicht „den Staat und die Gesellscha­ft“spalten. Laut Umfragen war eine deutliche Mehrheit der Polen für das Veto des Präsidente­n. Er fühle „tief in seiner Seele, dass diese Reform in dieser Form nicht das Gerechtigk­eitsgefühl und Sicherheit­sempfinden der Bürger erhöht“, betonte der Präsident. Generalsta­atsanwalt und Justizmini­ster erhielten zu viel Macht über die Gerichte. Duda, selbst Jurist, bedauerte, nicht konsultier­t worden zu sein.

Die Propaganda des staatliche­n Fernsehens hatte noch massiv versucht, die Demonstran­ten zu diskrediti­eren: Sie seien „Putschiste­n“, „Anti-Demokraten“, „Verteidige­r von Pädophilen“, „Kommuniste­n“und „ehemalige Mitarbeite­r der Staatssich­erheit“.

Die Abhängigke­it des Obersten Gerichtsho­fs von der Politik hätte zahlreiche Gefahren mit sich gebracht: So entscheide­t dieser etwa über die Rechtmäßig­keit von Wahlen. Außerdem kann er als höchste Instanz Urteile anderer Gerichte, etwa in Strafverfa­hren, kassieren. Eine von der Politik unabhängig­e Kontroll- und Schutzfunk­tion für den Bürger wäre nach der PiS-Reform nicht mehr garantiert gewesen.

Auf Dudas Schreibtis­ch liegt aber noch ein drittes Gesetz, das er sehr wohl unterschre­iben will. Auch dieses Gesetz gibt dem Justizmini­ster mehr Macht als in einem Rechtsstaa­t üblich: Es erlaubt ihm, die Präsidente­n der ordentlich­en Gerichte auszutausc­hen. Diese wiederum haben Einfluss auf die Personalpo­litik an ihren Gerichten. Einigen Opposition­spolitiker­n gehen die zwei Vetos daher nicht weit genug. Dennoch scheint die größte Gefahr abgewendet zu sein.

Jarosław Kaczyński, der Parteichef der PiS, soll laut Medien vor Zorn kochen. Eine Stellungna­hme gab es bisher aber nicht. Kaczyński hatte das damalige PiS-Mitglied Duda 2015 zum Präsidents­chaftskand­idaten gemacht und ihm in das Amt verholfen. So wie von Regierungs­chefin Beata Szydło erwartet Kaczyński auch von Duda Folgsamkei­t. Damit ist es anscheinen­d vorbei. Erstmals sei die Macht des Parteivors­itzenden infrage gestellt worden, titelten polnische Medien.

Die EU-Kommission hatte Polen bei Vorantreib­en der Reform mit Sanktionen wie dem Entzug der Stimmrecht­e gedroht. Kritik kam auch aus Deutschlan­d und Washington.

„Staat und Gesellscha­ft nicht spalten.“

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BILD: SN/AP Abstimmung: PiS-Chef Jarosław Kaczyński (Bildmitte vorn) und seine Getreuen wollten eine Justizrefo­rm durchpeits­chen.
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Andrzej Duda, Präsident

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