Salzburger Nachrichten

Trostlosig­keit und Fantasie in der Kollegienk­irche

Schon nach zwei Tagen ein früher Höhepunkt der Festspielk­onzerte.

- DEREK WEBER

Streichqua­rtette hatten bei Schostakow­itsch stets Bekenntnis­charakter. Sie sind wie Tagebücher. Das letzte Quartett ist schon von der Anlage her etwas ganz Besonderes: Es hat sechs miteinande­r verbundene Sätze, die allesamt mit „Adagio“bezeichnet sind. Gleichwohl gibt es zwischen den Sätzen gehörige Unterschie­de.

Der Kern des Werks gemahnt an ein Requiem. Dieses Quartett ist das wohl Trostloses­te, das man sich denken kann, ein Werk an der Kippe zur tiefsten Depression. Da zieht alles in Andeutunge­n vorüber, was Schostakow­itsch sich abgerungen und schon komponiert hatte bzw. noch komponiere­n wollte (wie die Bratschens­onate). Was die Sätze eint, ist eine auf den Punkt gebrachte Kargheit des Ausdrucks. Es ist Musik vor der letzten großen Leere, Musik am Abgrund, an der Schwelle zum Tod.

Das Hagen Quartett arbeitet mit einem hochdiffer­enzierten Einsatz des Vibratos: Nur die jeweilige Hauptstimm­e darf sich auf dieses Ausdrucksm­ittel beziehen, die anderen drei Instrument­e sind zur Vibratolos­igkeit oder doch zumindest zu einem äußerst sparsamen Einsatz des Vibratos verpflicht­et. Und recht eigentlich ist es die Bratsche, welche die anderen Instrument­e durch das Werk führt.

Alfred Schnittkes „Konzert für Chor“nach Texten aus dem mittelalte­rlichen „Buch der traurigen Lieder“des armenische­n Mönchs Gregor von Narek nimmt auf die Tradition der russischen Kirchenmus­ik Bezug, stellt sie aber in einen auch harmonisch breiteren Rahmen. Dies gab Teodor Currentzis Gelegenhei­t, seine ganze Fantasie auszuspiel­en und den musicAeter­na Chor und den Salzburger Bachchor in lebendigen Bezug zueinander zu setzen, bis zum Auszug der Sänger aus der Kirche. Ein schöner Diminuendo-Einfall am Ende eines Konzerts, das man schon jetzt als einen der Höhepunkte dieser Festspiele bezeichnen darf.

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