Verloren im Labyrinth der Sanktionen aller gegen alle
Bald wird eine Institution Sanktionen gegen sich selbst verfügen. Ein Trost: Sanktionen sind weniger blutig als Kriege.
Es wird immer schwieriger, die zahllosen Sanktionen auseinanderzuhalten.
Man erinnert sich: Die EU und die USA haben Sanktionen beschlossen, weil Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hat. Die Sanktionen sollten Moskau zum Verlassen der Krim bewegen und auch dazu führen, dass Russland die Unterstützung der Separatisten im Osten der Ukraine beendet.
Man weiß: Die Krim gehört immer noch zu Russland. Die Separatisten reden nicht mehr von Separation, sondern wollen möglichst die ganze oder zumindest den östlichen Teil der Ukraine zu „Klein-Russland“machen. Also: Die Sanktionen sind wirkungslos. Tatsächlich schaden sie der Wirtschaft in der EU und in Russland.
Diese Woche: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ärgert sich, dass Russland Turbinen oder jedenfalls Turbinenteile des deutschen Konzerns Siemens auf der Krim einsetzt. Also sollen die Sanktionen gegen Russland verschärft und Siemens verwarnt werden.
Gleichklang: In den USA werden die Sanktionen gegen Russland durch das Parlament verschärft, weil man immer noch über die Krim-Besetzung und über die russischen Manipulationen im US-Wahlkampf empört ist. Missklang im Lande: Das Parlament verbietet dem russlandfreundlichen Präsidenten Donald Trump, die Sanktionen per Dekret aufzuheben.
Von Gleichklang keine Rede: Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, tobt gegen die US-Sanktionen und wird dabei von der deutschen Wirtschaft unterstützt. Die USSanktionen richten sich gegen Firmen, die russisches Gas oder Öl kaufen. Womit russische Energielieferungen nach Europa kaum noch möglich wären.
Verdacht: Die USA wollen Europa für ihre Öl-Überschüsse frei-„sanktionieren“.
Der Rechtsstaat: Das polnische Parlament hat ein Gesetz beschlossen, das der Regierung die Macht über die Gerichte gibt. Das war sogar der EU-Kommission zu viel, die seit Herbst 2015 die Demontage des Rechtsstaats in Polen nur beobachtet. Jetzt soll Polen das Stimmrecht in der EU verlieren, also gleichsam ausgeschlossen werden.
Der Kraftakt: Doch Ungarn kündigt an, einen entsprechenden Beschluss durch ein Veto zu verhindern. Es braucht also auch Sanktionen gegen Ungarn, das ebenfalls die rechtsstaatlichen Grundsätze verletzt.
Rechtsstaat Nr. 2: Seit Monaten werden in der Türkei Tausende Personen wahllos eingesperrt und kritische Journalisten verurteilt, ohne dass die EU reagiert hätte. Nun hat sich die deutsche Regierung aufgerafft, die Entwicklung in der Türkei zu verurteilen.
Erstaunen: Jean-Claude Juncker protestiert.