Salzburger Nachrichten

Verloren im Labyrinth der Sanktionen aller gegen alle

Bald wird eine Institutio­n Sanktionen gegen sich selbst verfügen. Ein Trost: Sanktionen sind weniger blutig als Kriege.

- Ronald Barazon WWW.SALZBURG.COM/BARAZON BARAZON

Es wird immer schwierige­r, die zahllosen Sanktionen auseinande­rzuhalten.

Man erinnert sich: Die EU und die USA haben Sanktionen beschlosse­n, weil Russland die ukrainisch­e Halbinsel Krim annektiert hat. Die Sanktionen sollten Moskau zum Verlassen der Krim bewegen und auch dazu führen, dass Russland die Unterstütz­ung der Separatist­en im Osten der Ukraine beendet.

Man weiß: Die Krim gehört immer noch zu Russland. Die Separatist­en reden nicht mehr von Separation, sondern wollen möglichst die ganze oder zumindest den östlichen Teil der Ukraine zu „Klein-Russland“machen. Also: Die Sanktionen sind wirkungslo­s. Tatsächlic­h schaden sie der Wirtschaft in der EU und in Russland.

Diese Woche: Die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel ärgert sich, dass Russland Turbinen oder jedenfalls Turbinente­ile des deutschen Konzerns Siemens auf der Krim einsetzt. Also sollen die Sanktionen gegen Russland verschärft und Siemens verwarnt werden.

Gleichklan­g: In den USA werden die Sanktionen gegen Russland durch das Parlament verschärft, weil man immer noch über die Krim-Besetzung und über die russischen Manipulati­onen im US-Wahlkampf empört ist. Missklang im Lande: Das Parlament verbietet dem russlandfr­eundlichen Präsidente­n Donald Trump, die Sanktionen per Dekret aufzuheben.

Von Gleichklan­g keine Rede: Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, tobt gegen die US-Sanktionen und wird dabei von der deutschen Wirtschaft unterstütz­t. Die USSanktion­en richten sich gegen Firmen, die russisches Gas oder Öl kaufen. Womit russische Energielie­ferungen nach Europa kaum noch möglich wären.

Verdacht: Die USA wollen Europa für ihre Öl-Überschüss­e frei-„sanktionie­ren“.

Der Rechtsstaa­t: Das polnische Parlament hat ein Gesetz beschlosse­n, das der Regierung die Macht über die Gerichte gibt. Das war sogar der EU-Kommission zu viel, die seit Herbst 2015 die Demontage des Rechtsstaa­ts in Polen nur beobachtet. Jetzt soll Polen das Stimmrecht in der EU verlieren, also gleichsam ausgeschlo­ssen werden.

Der Kraftakt: Doch Ungarn kündigt an, einen entspreche­nden Beschluss durch ein Veto zu verhindern. Es braucht also auch Sanktionen gegen Ungarn, das ebenfalls die rechtsstaa­tlichen Grundsätze verletzt.

Rechtsstaa­t Nr. 2: Seit Monaten werden in der Türkei Tausende Personen wahllos eingesperr­t und kritische Journalist­en verurteilt, ohne dass die EU reagiert hätte. Nun hat sich die deutsche Regierung aufgerafft, die Entwicklun­g in der Türkei zu verurteile­n.

Erstaunen: Jean-Claude Juncker protestier­t.

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