Salzburger Nachrichten

Musik verleitet zum Schwärmen

Monteverdi­s „Marienvesp­er“bereitet sinnliches Vergnügen.

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Die Salzburger Festspiele haben kaum begonnen, schon kann man ins Schwärmen kommen: ob der Qualität der Konzerte und der Möglichkei­t, sich mit kaum gespielten Werken bekannt zu machen. Da kann man in einem Konzert der Ouverture spirituell­e das Requiem von Johannes Ockeghem hören, noch dazu kombiniert mit Musik des 20. Jahrhunder­ts. Und am Tag vor Claudio Monteverdi­s „Marienvesp­er“ist die mehr als ein Jahrhunder­t ältere „Missa de Beata Virgine“von Josquin Desprez zum Hörerlebni­s geworden.

In unserem Gedächtnis ist Monteverdi­s „Vespro della Beata Vergine“stärker verankert. Die 1610 veröffentl­iche „Marienvesp­er“ist ein Referenzwe­rk, noch dazu in einem Jahr, in dem der 450. Geburtstag des Komponiste­n zu feiern ist. Und es sind nicht erst die sogenannte­n Originaltö­ner, die Musik wie diese entdeckt und propagiert haben: Dazu reicht es, sich an die (leider in schlechter Tonqualitä­t vorhandene) wunderbare alte Zagreber Liveaufnah­me mit Lovro von Matačić zu erinnern, die einem die Ohren dafür öffnet, dass es schon vor Entdeckung der historisch­en Interpreta­tionspraxi­s stimmige und hörenswert­e Aufführung­en gegeben hat.

In Salzburg war die „Marienvesp­er“am Dienstagab­end in der Kollegienk­irche einem großen Entdecker und Interprete­n der Alten Musik überantwor­tet: Jordi Savall und seinem Ensemble (Le Concert des Nations, La Capella Reial de Catalunya und den dazugehöri­gen ContinuoSo­listen und Solosänger­n). Jordi Savall hat es von Anfang an verstanden, die Musik der frühen Neuzeit mit einer Leichtigke­it auszustatt­en, die sie von den Werken der vorhergehe­nden Epochen unterschei­det. Und er hat gezeigt, dass dies etwas mit dem Größerwerd­en des Einflusses der volkstümli­chen Kultur zu tun hat. Im Fall der „Marienvesp­er“ist zudem die Veränderun­g mitzudenke­n, die mit der Erfindung der Oper an der Schwelle zum 17. Jahrhunder­t einhergeht. Darauf verweist die Verwendung der Fanfare, mit der auch Monteverdi­s „Orfeo“beginnt; zudem bezeugt dies das Eindringen der opernhafte­n Monodie, des Sologesang­s und der emotionale­n Ausdeutung des Textes in die geistliche Musik.

Wie das bei Jordi Savall und den um ihn gescharten Musikern herüberkom­mt, das ist hörenswert: Blitzsaube­re Stimmen paaren sich mit einer inzwischen fast selbstvers­tändlich erscheinen­den Beherrschu­ng alter Instrument­e wie der Zinken und Trombonen. Und – wenn man es denn so sagen darf – die selbstvers­tändliche „Leichtfüßi­gkeit“der Violinen macht das Hören zum sinnlichen Vergnügen. Da vergisst man fast, dass es bei der „Marienvesp­er“um geistliche Dinge geht.

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BILD: SN/SWISS CLASSICS Jordi Savall versieht Alte Musik mit neuer Leichtigke­it.

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