Retter bangen um Arbeitsplatz
Beim Wiener Roten Kreuz werden 35 Sanitäter gekündigt, weil die Krankenkasse auf billige, private Fahrdienste setzt. Diese Entwicklung ist aus vielerlei Hinsicht problematisch.
WIEN. Thomas Rieder ist der Prototyp eines Sanitäters. Die Schultern breit und kräftig, dazu stets ein gewinnendes Lächeln – an dem 28-Jährigen ist nichts Zögerliches, er ist ein Anpackertyp; einer, der nicht lange überlegt, sondern tut. Spricht man ihn allerdings auf die aktuelle Situation bei seinem Arbeitgeber, dem Wiener Roten Kreuz, an, so verlässt ihn jäh seine Körperspannung. „Die Stimmung bei uns ist gedrückt und sehr angespannt“, sagt Rieder. Am 1. August werden 35 Kündigungen ausgesprochen – ein Viertel der Belegschaft muss gehen. „Vielleicht trifft es ja auch mich. Ich habe wenigstens Kfz-Mechaniker gelernt, ich finde schon eine Arbeit.“Rieder denkt an die jungen Kollegen, die gleich nach der Schule beim Roten Kreuz Zivildienst gemacht haben und „picken“geblieben sind. „Die haben keine andere Berufsausbildung.“Und er macht sich Gedanken über jene, die schon mehr als 30 Jahre dabei sind. „Für die ist das hier wie eine zweite Familie.“
Grund für die Kündigungswelle ist die Konkurrenz. Private Fahrdienste bieten ihre Leistungen wesentlich billiger an. Die Wiener Gebietskrankenkasse setzt schon seit Längerem verstärkt auf Unternehmen wie zum Beispiel Haller Mobil. Nun hat sich die Situation bei sämtlichen Wiener Blaulichtorganisationen zugespitzt. Fehlende Aufträge bedeuten weniger Einnahmen – die Rechnung ist einfach und brutal. Auf der Strecke bleibt top geschultes Personal, das in Notfällen genau weiß, was es zu tun hat.
„Sani“Rieder verkneift sich seinen Frust mit größter Mühe, wenn er an die Privaten denkt: „Da werden acht Leute mit den unterschiedlichsten Krankheiten eingeladen, ins Spital gebracht und daheim abgeliefert.“Letzteres sei vor allem für schwer kranke Menschen, die etwa von einer Chemotherapie oder einer Dialyse kämen, problematisch. „Ihnen kann es ganz plötzlich schlecht gehen. Wir bleiben da immer eine Zeit lang bei ihnen und schauen, ob sie Hilfe benötigen.“Überdies sei es auch eine Frage der Hygiene, wie viele Personen man transportiere.
Nicht nur Thomas Rieder hofft nun, dass bei einem angekündigten „Runden Tisch“, den die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) zugesagt hat, zufriedenstellende Resultate erzielt werden. Falls nicht, gibt es seit Dienstagabend eine klare Linie. Da nämlich haben sich bei einer Betriebsversammlung 98,9 Prozent aller anwesenden 450 Sanitäter für Kampfmaßnahmen ausgesprochen.
Rieder blickt zu Boden. „Streiken? So einfach ist das nicht.“Natürlich dürfe man sich nicht alles gefallen lassen. Aber die Patienten könnten ja nichts für die prekäre Lage, in der sich ihre Helfer befänden.
Sozialplan hin, Umschulung her: „Sanitäter zu sein ist eine physisch und psychisch sehr anstrengende Tätigkeit. Aber es ist derart erfüllend, wenn man jemandem helfen oder ihm sogar das Leben retten kann“, resümiert der 28-Jährige. „So einen Beruf möchte man nicht einfach so aufgeben.“