Eine neue Spielanleitung für den Handel
Der „Amazon-Moment“ist fern, aber man ahnt das Ausmaß der Veränderung.
Bisher war es so, dass die ganze Wut der traditionellen Händler dem bösen Online-Geschäft galt, weil es ihre Existenz infrage stellt. Jetzt aber wird die Spielanleitung neu geschrieben: Das Match lautet nicht mehr Online versus Traditionell, sondern „Handel mit Daten“versus „Handel ohne Daten“. Bestes Beispiel dafür ist die neue Amazon-Buchhandlung, die vor wenigen Wochen in New York eröffnet hat: Dort verkauft der weltgrößte Internethändler nur noch solche Bücher, die auf seiner Internetplattform zuvor hervorragende Bewertungen von Kunden, also vier bis fünf Sterne, erhalten haben. Es gibt dort auch Bücher, die viele Leser in höchstens drei Tagen verschlungen haben, und Bücher, die besonders die Bewohner New Yorks gern kaufen.
Der persönliche Geschmack eines Buchhändlers oder originelle Exotenbücher sind nicht mehr Teil der Spielanleitung. Schließlich gibt es Daten, die den breiten Publikumsgeschmack im Detail verraten. Mit jedem Kauf im Online-Shop wächst der Datenberg von Amazon, mit dem dieser bis ins kleinste Detail jeden Menschen durchleuchten kann, seine Vorlieben, seinen Lebensstil, seine Gewohnheiten. Auf diese Weise liegt im Buchladen in New York nur das, was garantiert verkauft wird, und die Lager- und Logistikkosten sind automatisch niedriger als in einem Geschäft, das ohne Datenintelligenz arbeitet.
Der große Clou ist, die Datenwirtschaft, die online entsteht, in echten Läden anzuwenden und alles miteinander zu verbinden, sodass es letztlich egal ist, wo die Konsumenten einkaufen – die Daten fließen ohnehin. Deshalb hat es weltweit für einen Aufschrei im Handel gesorgt, als Amazon im Juni ankündigte, die erfolgreiche Biolebensmittel-Kette Whole Foods mit 430 Läden in den USA, Kanada und Großbritannien übernehmen zu wollen: Jetzt ist klar, dass der „Handel ohne Daten“schwer unter Druck gerät, sogar in einem der erdigsten Handelsbereiche, dem mit Lebensmitteln.