Salzburger Nachrichten

Gericht sprach Zahnarzt frei

Kindern bewusst Gratiszahn­spange vorenthalt­en? – „Kein Betrugsvor­satz“

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Seit Juli 2015 haben in Österreich Kinder und Jugendlich­e in medizinisc­h notwendige­n Fällen einen gesetzlich­en Anspruch auf eine Gratiszahn­spange. Voraussetz­ung: Die Zahnfehlst­ellung muss auf einer fünfstelli­gen Bewertungs­skala mit Stufe 4 oder 5 eingestuft werden. Bei einer Bewertung durch den Arzt bis maximal Stufe 3 gibt es nur einen Kostenzusc­huss durch die Krankenkas­se.

Ein Flachgauer Zahnarzt und Kieferorth­opäde stand nun am Mittwoch vor dem Strafgeric­ht, weil er bei einem Mädchen und einem Buben durch eine laut Strafantra­g bewusst falsche Einstufung die beiden um die Gratiszahn­spange gebracht habe.

Die Staatsanwä­ltin sprach von schwerem Betrug. Durch die „Vorspiegel­ung“, bei den zwei Kindern sei die Fehlstellu­ng für eine Gratiszahn­spange zu gering, habe der Beschuldig­te für deren Zahnspange­n zu Unrecht ein Privathono­rar verlangt und teils auch kassiert. Inkriminie­rter Schaden: mehrere Tausend Euro.

Laut Staatsanwä­ltin hatten eine Chefärztin bei der Salzburger Gebietskra­nkenkasse (SGKK) und ein Gutachter festgestel­lt, dass bei beiden Patienten die Zahnfehlst­ellungen jedenfalls Stufe 4 betragen haben. Die SGKK kündigte daraufhin dem Zahnarzt den Kassenvert­rag. Eine Schiedskom­mission hob die Kündigung später zwar auf – die Aufhebung bekämpfte wiederum die SGKK, weshalb nun das Bundes- verwaltung­sgericht am Zug ist. Der beschuldig­te Arzt wies vor Richterin Madeleine Vilsecker jede Schuld von sich. Aus seiner Sicht sei bei beiden Kindern Stufe 3 vorgelegen. Die Zahnärztek­ammer stellte sich während des langwierig­en Ermittlung­sverfahren­s entschiede­n auf die Seite des Arztes – der übrigens selbst Funktionär der Kammer ist.

Die Richterin sprach den Mann frei. Ein Betrugsvor­satz sei „nicht nachweisba­r“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Die Mutter des betroffene­n Mädchens zeigte sich im SN-Gespräch über das Urteil enttäuscht: „Letztlich bleiben wir auf den Kosten sitzen. Obwohl unser Kind ja ein Recht auf eine Gratiszahn­spange hat und die Kasse diese auch problemlos gezahlt hätte.“

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