„Ich muss nicht mehr siegen“
Auch Erfolge können müde machen. Skistar Marcel Hirscher nahm sich daher nach einer Rekordsaison eine Auszeit und reflektierte seine Karriere. Ziele? Die gibt es (noch) nicht.
ANNABERG. Wenn „Österreichs größter Sportheld“und „Salzburgs bester Botschafter“– wie Co-Gastgeber Leo Bauernberger, Chef von SalzburgerLand Tourismus, Marcel Hirscher (28) vorstellte – zum sommerlichen Treffen in seine Heimat lädt, dann folgt eine riesige Schar an Journalisten. Aus aller Herren Länder. Interviews auf Niederländisch? „Da sprudelt es nicht aus mir heraus, aber es funktioniert“, sagt der Sohn einer Niederländerin. Danach sprach der beste Skifahrer der Gegenwart (oder aller Zeiten?) am Winterstellgut in Annaberg auch mit den SN über … Heimatverbundenheit: „Hier zu leben bedeutet für mich Luxus. Ich war nie gewillt, durch die Welt zu reisen und diesen schönen Fleck Erde länger zu verlassen. Erst unlängst war ich zum ersten Mal auf der Bischofsmütze, einfach geil. Hier habe ich alles und es wird mir nie langweilig. Dahoam is dahoam, da geht nichts drüber.“ seine letzten Abenteuer: „Ich war zehn Tage auf den Seychellen und bin mit Haien getaucht, geschnorchelt. Für eine Berggams, wie ich es bin, ist das schon eine große Herausforderung. Außerdem war ich beim Tomorrowland (Musikfestival in Belgien). Das war für mich ein absolutes Muss, das einmal erlebt zu haben. Aus solchen Erlebnissen kann ich viel Energie ziehen.“ seine öffentliche Auszeit: „Die habe ich ganz bewusst gewählt. Zum einen für mich und außerdem glaube ich, dass auch die Leute einmal ihre Ruhe haben wollen. Ich folge in den sozialen Netzwerken auch interessanten Sportlern und anderen Persönlichkeiten und da denke ich mir oft ,Jetzt hab ich aber wieder genug von dir gesehen oder gelesen‘. So eine Interaktion mit Fans soll ja auch einen Benefit haben und wenn ich jeden Tag vom Training etwas poste, dann wird es langweilig.“ das Älterwerden: „Verdammt, zehn Jahre Weltcup sind vorbei. (Denkt lange nach.) Ich habe immer alles dem Skifahren untergeordnet, viel erlebt und reingesteckt. Aber das Leben bietet mehr als rote und blaue Tore, das wird mir Jahr für Jahr mehr bewusst. Deshalb habe ich auch noch nie so lange nichts getan wie nach der vergangenen Saison. Nichts getan im Sinne von Training, das nur auf Leistung ausgerichtet ist. Diese Abwechslung brauche ich auch, damit ich mental frisch bleibe. Zwar verspüre ich noch ein bisschen Müdigkeit, fühle mich aber fit und besser als 2016.“ seine Konkurrenten: „Ich bin seit dem Weltcupfinale nicht mehr Ski gefahren, von dem her bin ich zwei Monate im Rückstand. Henrik (Kristoffersen) und Alexis (Pinturault) sind sicher wieder die absoluten Messlatten. Ich bin nächste Woche erstmals wieder auf Schnee. Interessant wird, wer mit der Materialumstellung im Riesentorlauf am besten zurechtkommt. Erst im Oktober kann ich mir Ziele setzen.“ Olympia und Gesamtweltcup: „Wenn ich mich zwischen Olympia-Gold (fehlt noch) und der großen Kugel entscheiden müsste, ist es ganz klar die Kugel. Da habe ich mit sechs (Rekord, Anm.) eine Benchmark gesetzt und eine siebte wäre abartig. Natürlich wäre auch Olympia-Gold cool, aber lieber ist mir der Gesamtweltcup. Ich habe das Gefühl, dass ich kein einziges Rennen mehr gewinnen muss. Ich darf, muss aber nicht.“ sein Karriereende: „Das ist vollkommen unabhängig vom Erfolg. Das entscheide ich von Jahr zu Jahr. Ich weiß nicht, wie lange ich fahren werde. Auf jeden Fall, solange es mir Spaß macht. Und das ist derzeit absolut der Fall. Jedenfalls freue ich mich auf die Aufgaben danach. Ich habe viele coole Sachen laufen, auch eine neue Idee, die ich aber noch nicht erzählen will. Ich werde wohl im Skisport bleiben, da kenne ich mich aus und kann an die Jungen viel weitergeben.“