Sandsäcke reichen nicht
Warme Luft nimmt mehr Wasser auf. Die sommerlichen Phasen mit starken Regenfällen werden zunehmen. Das muss die Stadtplanung berücksichtigen. Rotterdam zeigt, wie es geht.
Die vergangenen Tage brachten im Großteil Österreichs beachtliche Regenmengen. Mit solchen Ereignissen ist in Zukunft wohl öfter zu rechnen. Denn die Erderwärmung führt allem Anschein nach zu häufigerem Extremniederschlag.
„Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen“, erklärt Jascha Lehmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Wasserdampf ist Wasser in gasförmigem Zustand, das durch Verdunstung entsteht und zu Wolken kondensiert.
Nach der Clausius-ClapeyronGleichung nimmt der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre mit jedem Grad Celsius um sieben Prozent zu. Durch die Erderwärmung steht der Atmosphäre also mehr Wasserdampf zur Verfügung. Und der kann bei kurzfristigen, heftigen Regenfällen freigesetzt werden.
Hinzu kommt ein zweiter Effekt. Der Klimawandel verändert die Luftströme in unserer Atmosphäre. Auch die beeinflussen, wo es wie viel und wie lang regnet. Ein Beispiel: die Flutwellen im Balkan im Jahr 2014. Sie hingen wahrscheinlich mit einer Verlangsamung der Luftströme zusammen, die den Erdball umkreisen. Vor zwei Jahren stockte ihre Vorwärtsbewegung für mehrere Tage. Gleichzeitig setzte sich ein Wettersystem über dem Balkan fest, das Bosnien und Kroatien den Rekordregen brachte.
Grundsätzlich muss man zwischen verschiedenen Niederschlagstypen unterscheiden. Im Winter dauern starke Regenfälle über Tage an, wobei sich die Regenfront über Gebiete so groß wie Deutschland erstreckt. Das ist ein leicht messbares Ereignis.
Im Sommer hat man es eher mit kurzen, dafür umso heftigeren Gewittern auf kleinerem Raum zu tun. Man spricht hier von kleinskaligen Ereignissen. Gießt es in Salzburg in Strömen, scheint in Bad Ischl dann möglicherweise die Sonne. Aufgrund ihrer geringen Ausdehnung fallen solche Gewitter tatsächlich durch das Raster des Wetterstationsnetzes. Trotzdem sieht Lehmann in den verfügbaren Daten einen klaren Trend hin zu häufigeren Extremniederschlägen im globalen Mittel. Zudem nimmt die Intensität der Starkregenfälle durch die Erwärmung zu. Danach braucht die Atmosphäre eine gewisse Zeit, um sich wieder mit Wasserdampf zu sättigen. Lehmann: „Es ist daher prinzipiell auch möglich, dass es in manchen Gegenden zu einem vermehrten Auftreten von beiden Extremen kommt mit mehr Starkregen, aber auch lang anhaltenden Trockenperioden.“
In einer 2015 veröffentlichten Studie, die auf einer statistischen Analyse von Regendaten aus den Jahren 1901 bis 2010 basiert, zeigten Lehmann und Kollegen, dass die Anzahl von Rekordregenfällen seit den 1980er-Jahren im globalen Mittel um zwölf Prozent zugenommen hat, verglichen mit einem Szenario ohne Klimawandel. „Im Jahr 2010 war einer von fünf Rekordregen ohne den Klimawandel nicht zu erklären“, sagt Lehmann.
Die Veränderungen im Niederschlag können regional jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, denn Regen wird von vielen Faktoren beeinflusst, nicht nur von der Lufttemperatur. Das zeigte sich auch im Ergebnis der Studie.
Die Länder Südostasiens verzeichneten eine besonders starke Zunahme von Rekordregenfällen: um 56 Prozent. Auch für Europa sind die Werte hoch gewesen: ein Plus von 31 Prozent. In anderen Regionen hingegen nahmen die Rekordregen ab. Im Mittelmeerraum um 27 Prozent, im Westen der USA um 21 Prozent.
Sollten sich Städte – nicht nur die an Küsten und Flüssen, sondern grundsätzlich alle – so schnell wie möglich auf die Veränderungen vorbereiten? Schließlich geraten Menschen in Lebensgefahr, wenn es pausenlos und heftig regnet. Und die Schäden durch das folgende Hochwasser gehen schnell in die Millionen, gar Milliarden. Lehmann: „Selbst wenn wir es schaffen, den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, werden wir genug zu tun haben. Insofern ist es wichtig, das erhöhte Risikopotenzial von Extremereignissen wie Starkregen und Überflutungen in der Stadtplanung zu berücksichtigen.“
Rotterdam geht diesen Weg. Die Stadt mit dem größten Hafen Europas ist vom Meeresspiegelanstieg betroffen. Aber nicht nur das. Auch die Niederschlagsmengen nehmen zu, das weisen die Statistiken für die Niederlande aus.
Deswegen plant man, Rotterdam in eine Art Schwamm zu verwandeln, der alles aufnimmt, was von oben herunterkommt. In der Stadtmitte, nahe am Hauptbahnhof, liegt der Benthempleinplatz. Man hat die Fläche zu einem oberirdischen Auffangbecken umfunktioniert. In diesem Fall ein in den Boden gesetztes Basketball- und Fußballfeld mit Tribüne. Regnet es stark, leiten Rinnsteine das Wasser aus der Umgebung hin zum Bassin. Das läuft nach und nach voll und entlastet so das städtische Pumpensystem. Nach dem großen Regen sickert das gesammelte Wasser dann ins Grundwasser ab.
Rotterdam ist auf solche Flexibilität angewiesen. Viele Bereiche sind versiegelt und liegen zum Teil unterhalb des Meeresspiegels. Häuser, Geschäfte, Autotunnel, Bahnstrecken könnten bei Starkregen geflutet werden. Bis 2025 ist die Stadt „climate proof“, also klimawandelsicher, so sieht es die Anpassungsstrategie vor. Auch begrünte Dächer spielen darin eine Rolle. Rotterdam verfügt über 14,5 Quadratkilometer Flachdach – theoretisch viel Platz für Pflanzen, die helfen, den Regen vorübergehend aufzunehmen.
„Selbst wenn die Temperatur nur um zwei Grad steigt, werden wir genug zu tun haben.“Jascha Lehmann, Klimaforscher