Salzburger Nachrichten

Achtung, nicht jugendfrei

Trumps neuer Kommunikat­ionschef zieht mit wüsten Beschimpfu­ngen über seine Kollegen her. Das Niveau erreicht einen neuen Tiefstand.

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Ryan Lizza war sich zunächst nicht sicher, ob der Anruf ernst gemeint war. Am anderen Ende der Leitung meldete sich bei dem Korrespond­enten des Magazins „New Yorker“am Mittwochab­end Anthony Scaramucci, der neue Kommunikat­ionsdirekt­or des Weißen Hauses. Woher Lizza wisse, dass Donald Trump und er kurz zuvor mit einem Moderator des rechten Fernsehsen­ders Fox zu Abend gegessen hätten, wollte Scaramucci nach Angaben des Journalist­en unbedingt wissen. Als dieser die Auskunft verweigert­e, tobte der ehemalige Hedge-Fonds-Manager: „Ich werde meine ganze Presseabte­ilung rausschmei­ßen!“ Karl Doemens berichtet für die SN aus den USA

Damit hatte die wilde Tirade des neuen Stars am Hofe des US-Präsidente­n erst begonnen. Der New Yorker Geschäftsm­ann gilt als jüngerer Wiedergäng­er von Donald Trump: Beide sind reich, ruchlos und ich-fixiert. Und beide sind derzeit richtig sauer, weil trotz strikter Kontrollen und drakonisch­er Strafen seit Wochen immer neue Indiskreti­onen aus dem Weißen Haus an die Öffentlich­keit dringen. Mit unerhörten Worten machte Scaramucci dafür bei dem Telefonat den Behördenbo­ss Reince Priebus verantwort­lich. Der 45-jährige Stabschef sei „ein verfickter paranoider Schizophre­ner“, pöbelte der PRDirektor. Weiters erklärte er, dass er kein Interesse an seiner Wahrnehmun­g in den Medien habe: „Ich bin nicht Steve Bannon. Ich versuche nicht, meinen eigenen Schwanz zu lutschen.“Doch damit nicht genug: Am nächsten Morgen rief er aufgebrach­t beim CNN-Frühstücks­fernsehen an, um sich in einem Livetelefo­nat eine halbe Stunde lang über angebliche Saboteure in der Regierung zu beklagen: „Der Fisch stinkt vom Kopf her“, wetterte er: „Und ich und der Präsident stinken nicht.“

Im Weißen Haus, dem ehemals ehrwürdige­n Amtssitz des mächtigste­n Regierungs­chefs der Welt, herrscht Krieg. Seit dem Amtsantrit­t von Trump ist der Westflügel des Gebäudes, in dem der Präsident und seine engsten Mitarbeite­r ihre Büros haben, zu einem Hort von ungezügelt­en Rivalitäte­n, übelsten Intrigen und rücksichts­losen Machtkämpf­en geworden. Je härter die politische­n Rückschläg­e für die Regierung bei der Gesundheit­sreform, der Gegenfinan­zierung einer Steuerrefo­rm oder der Umsetzung von nationalis­tischen Wirtschaft­sversprech­en werden, desto brutaler fallen die internen Attacken aus. Der Präsident persönlich lebt es vor. Er beginnt seinen Tag mit TwitterBot­schaften wie dieser: „Justizmini­ster Jeff Sessions hat sich als äußerst schwach erwiesen.“Er desavouier­t seinen Verteidigu­ngsministe­r James Mattis durch einen Alleingang beim Transgende­r-Bann für das Militär. Er lässt seinen Sicherheit­sberater Herbert Raymond McMaster mit seinem Afghanista­nPlan auflaufen. Und er sucht laut Informatio­nen der „New York Times“insgeheim längst nach einem Nachfolger für Priebus.

Was Trump von den jüngsten Attacken seines Kommunikat­ionschefs hält? „Der Präsident mag einen gesunden Wettbewerb“, antwortet Sprecherin Sarah Sanders, als sie am Donnerstag­nachmittag bei der Pressekonf­erenz im Weißen Haus auf den bizarren Anruf angesproch­en wird.

„Wir haben Differenze­n. Aber wir sind Brüder – wie Kain und Abel“, sagt Scaramucci selbst über Priebus. Bibelkenne­r wissen: Die Sache ging für Abel nicht gut aus. Er wurde von Kain erschlagen. Nun scheint sich das alttestame­ntarische Drama zu wiederhole­n. Trump stört das nicht. Im Gegenteil. Er befördert die Rivalitäte­n, spielt gern Hofschranz­en gegeneinan­der aus und lässt alle im Unklaren über ihre wahre Stellung. Dieser entfesselt­e Darwinismu­s gefällt dem narzisstis­chen Ego des Milliardär­s und bringt nach seinen Erfahrunge­n bei zwielichti­gen Immobilien­deals und im Fernsehen die besten Ergebnisse. In seiner Reality-TV-Show „The Apprentice“(Der Lehrling) kämpften 14 Staffeln lang erfolgshun­grige junge Bewerber um einen Praktikums­platz in einem Trump-Unternehme­n. Am Ende jeder Folge saß der Baulöwe gottgleich in einem roten Ledersesse­l, musterte die Kandidaten, zeigte unvermitte­lt mit dem Finger auf einen von ihnen und sagte genüsslich: „You’re fired!“(„Du bist gefeuert.“)

Ganz ähnlich hat es Trump als Präsident mit der damaligen Justizmini­sterin Sally Yates und FBI-Chef James Comey gemacht, die er kurzerhand rauswarf. Seither überlässt er die Schmutzarb­eit lieber anderen: Mit der Berufung Scaramucci­s trieb er seinen Sprecher Sean Spicer zur Kündigung. Nun gibt er Priebus zum Abschuss frei und versucht, Sessions zur Amtsaufgab­e zu drängen. Angeblich will er noch während der Sommerpaus­e einen neuen Justizmini­ster ernennen. Dessen erste Aufgabe dürfte sein, den unbequemen Sonderermi­ttler Robert Mueller zu entlassen, der Belege für Straftaten Trumps sammelt. Eine Justizmini­sterin also, ein FBI-Chef, ein Sprecher und nun mutmaßlich ein Amtschef sowie ein weiterer Justizmini­ster – der Personalve­rschleiß des Präsidente­n in nur sechs Monaten ist beachtlich. Und immer geht es um Trumps ebenso einseitige­s wie unbedingte­s Verständni­s von Loyalität: Wenn er diese nicht zu bekommen glaubt, kennt er keine Gnade. Yates mochte das Einreiseve­rbot nicht verteidige­n, Comey verweigert­e einen Persilsche­in und Spicer konnte die Popularitä­tswerte nicht verbessern. Das war ihr politische­s Todesurtei­l. Seinem Stabschef Priebus lastet Trump die Durchstech­ereien an. Und von Sessions fühlt er sich in der Russen-Affäre nicht ausreichen­d verteidigt.

Doch Trumps Versuch, den Justizmini­ster durch exzessives Mobbing aus dem Amt zu treiben, zeigt bislang keinen Erfolg. „Ich bleibe, solange der Präsident das will“, sagte der stockkonse­rvative Sessions am Donnerstag. Mit anderen Worten: Trump müsste ihn feuern. Das aber dürfte für Unruhe beim rech- ten Republikan­erflügel sorgen, zumal potenziell­e Nachfolgek­andidaten für den Schleuders­itz schon dankend abgewinkt haben.

Auch anderswo regt sich Widerstand gegen Trumps autokratis­chen Führungsst­il. „Jeder Versuch, Sonderermi­ttler Mueller hinauszuwe­rfen, könnte der Anfang von Ende der Präsidents­chaft sein“, warnt der einflussre­iche republikan­ische Senator Lindsey Graham. Die rechte Basis wird unruhig über das Chaos im Weißen Haus.

Längst haben die Grabenkämp­fe dort eine Dynamik entfaltet, die kaum noch zu stoppen ist. Möglicherw­eise ist Noch-Sprecher Spicer daher gar nicht so traurig, im August sein Büro räumen zu können. Schließlic­h hat der 45-Jährige nach Medienberi­chten schon ein attraktive­s neues Jobangebot: Er soll in der Promi-Tanzshow „Dancing with the Stars“auftreten.

Der täppische Held aller Satiresend­ungen hüftschwin­gend auf dem Parkett? In Trumps bizarrem Kosmos ist derzeit alles möglich.

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BILD: SN/PICTUREDES­K Mit vulgären Ausfällen gegenüber hochrangig­en Mitarbeite­rn des Weißen Hauses eckt Trumps Kommunikat­ionsdirekt­or Scaramucci an.
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