Quo vadis, Servus TV? „Servus am Morgen“geht, neue Formate kommen
Servus TV steht vor einem Umbruch. Erneut. Dieses Mal ist ein Auslöser die Wahrheit – oder zumindest die Suche nach ihr.
Es ist tatsächlich erst 15 Monate her. Nur knapp eineinviertel Jahre. Im Mai 2016 stand Servus TV vor dem Aus. Mehr noch: Der Sender stand im Aus. Völlig überraschend hatte Inhaber Dietrich Mateschitz angekündigt, den Geldhahn zu- und somit den Sendebetrieb abzudrehen. Doch bereits am Tag darauf folgte die Kehrtwende. Nachdem eine angedachte Betriebsratsgründung verworfen wurde, widerrief Mateschitz seine Entscheidung.
Seitdem ist es ruhiger geworden um den Salzburger Greentower. Zumindest nach außen hin. Denn hausintern wurden schrittweise viele jener Änderungen umgesetzt, die im Nachhall des Knalls beschlossen worden waren. Anfang des Jahres wurde das Red Bull Media House, die Dachorganisation aller konzerneigenen Medien, neu aufgeteilt – in das Red Bull Media Network für digitale Inhalte und den Bereich Publishing, TV and Media Operations, in den Servus TV fällt. Parallel wurde Personal abgebaut: Ende Mai bestätigte das Red Bull Media House, dass in Österreich 69 (der mehr als 1000) Mitarbeiter den Konzern verlassen müssen. Auch Servus TV war von den Einsparungen betroffen. Selbst einige Abteilungsleiter mussten ihren Schreibtisch räumen.
Die nächste Zäsur dürfte schon in wenigen Monaten anstehen. Im Herbst startet „Quo Vadis Veritas“(QVV), eine von Dietrich Mateschitz ins Leben gerufene Rechercheplattform. Das neue Medienprojekt soll „ein vollständigeres Bild der Wirklichkeit schaffen“. Offiziell soll QVV, getragen von der gleichnamigen gemeinnützigen Stiftung, unabhängig von Servus TV agieren. Doch die Trennung scheint kaum umsetzbar. Zum einen ist Servus TV offizieller Stifter: Laut einem Bericht des „Standard“widmete Dietrich Mateschitz 990.000 Euro, von Servus TV kommen 10.000 Euro. Dazu arbeitet mit Moderator Michael Fleischhacker einer der beiden Geschäftsführer von „Quo Vadis Veritas“ebenso für Servus TV. Erste Auswirkungen sind auch bereits erkennbar: Wie die SN erfahren haben, wird der „Talk im Hangar“komplett zu QVV wandern. Es wird zwar kein einschlägiges Branding geben, die inhaltliche Gestaltung wird aber Michael Fleischhackers neues Team vollständig übernehmen.
Die QVV-Mannschaft nimmt indes immer konkretere Formen an: Die wohl prominenteste Neuzugänge sind ATV-Moderator Martin Thür und der ehemalige ATV-Chefredakteur Alexander Millecker. Zudem steht fest, von wo aus das Investigativteam arbeiten wird. Im Frühherbst wird „Quo Vadis Veritas“mit seinen rund 40 Mitarbeitern in die Siebensterngasse 21 im siebten Wiener Gemeindebezirk einziehen. Und auch Ansätze erster Projekte sind mittlerweile bekannt: Mittels E-Mail-Casting werden Personen gesucht, die sich gern in ihrem Alltag filmen lassen – und wohl typische Fans von Kurz, Kern oder Strache sind. Gestern, Freitag, gab QVV bekannt, einen digitalen Briefkasten eingerichtet zu haben, „der es Informanten ermöglicht, anonym vertrauliche Informationen zu übermitteln“. Die Projekte sollen laut SN-Information schließlich trimedial verbreitet werden: Zum einen über die Website qvv.at, das Kernstück des Projekts. Zum anderen über ein stark textlastiges Printprodukt, das vierteljährlich erscheinen soll. Und zum Dritten über Fernsehreportagen, die Servus TV und anderen Sendern angeboten werden. Für diese Reportagen sollen immer wieder ServusTV-Mitarbeiter abgestellt werden.
Doch auch unabhängig von QVV wird sich diesen Herbst bei Servus TV einiges tun. Die Frühsendung „Servus am Morgen“wird nicht mehr aus der Sommerpause zurückkommen. Nach dem Start des ORF-Frühformats „Guten Morgen Österreich“konnte „Servus am Morgen“kaum noch punkten. Dafür funktionieren andere Formate umso besser, etwa die hauseigenen Nachrichtensendungen. Und auch mit der allgemeinen Quotenentwicklung kann Servus TV zufrieden sein: In den vergangenen Monaten ging der Marktanteil konsequent nach oben. Erst für den Juni vermeldete man eine Quote von 2,2 Prozent – und somit ein Plus von 0,7 Prozent im Vergleich zum Juni 2016. Die guten Quoten sind wohl mit ein Grund dafür, dass Servus TV zeitnahe neue Formate präsentieren wird. Am Donnerstag wurde ein SN-Bericht bestätigt, wonach im Herbst die erste eigenproduzierte fiktionale Serie ausgestrahlt wird. Die acht Folgen von „Vollblut“drehen sich um eine junge Wienerin, die zur Alleinerbin eines Gestüts wird.
Wie die „Salzburger Nachrichten“erfahren haben, sollen noch andere Eigenprojekte folgen. An einer weiteren Serie wird ebenso gearbeitet wie an einer Politsendung zur Nationalratswahl. Zudem gibt es Überlegungen, ein Mittagsmagazin zu produzieren.
Die neuen Projekte haben alle etwas gemein: Sie setzen auf einen starken Österreich-Bezug. Und dieser Weg könnte durchaus der richtige sein. Nach der Übernahme von ATV durch ProSieben ist Servus TV der letzte echte österreichische Privatsender. Umso mehr bietet es sich an, die eigene Identität zu betonen – vor allem in Zeiten, in denen Heimatverbundenheit wieder populär wird. Das Ziel liegt auf der Hand: Servus TV will die Nummer eins unter den österreichischen Privaten werden. Und der wahrheitsbezogenen Konkurrenz aus dem eigenen Haus trotzen.