Salzburger Nachrichten

Wer misst, misst auch Mist

Plastik aus den Meeresprob­en kann auch Naturfaser vom Labormante­l sein.

- U.k.

Ständig gelangt Kunststoff in den Ozean – aus Schiffen, aus ungesicher­ten Deponien, über das Abwasser. Seit Jahren wird immer wieder gesagt, dass ein großer Teil des marinen Kunststoff­s aus winzigen Kunstfaser­n besteht – genannt wird unter anderem Polyester. Selbst in großer Tiefe sollen diese Partikel nachgewies­en worden sein. Bei solchen Untersuchu­ngen muss man allerdings genau darauf achten, die richtige Nachweisme­thode zu wählen, und genau diese Regel wurde bei bisherigen Studien oft nicht eingehalte­n, wie eine Analyse der TU Wien nun zeigt.

Forscher stellten fest, dass manche Messtechni­ken zwischen natürliche­n und künstliche­n Mikroparti­keln nicht unterschei­den können. Was man für Plastik aus der Umweltprob­e hielt, dürfte in vielen Fällen eine Kontaminat­ion durch Naturfaser­n der Labormänte­l gewesen sein. Bernhard Lendl vom Institut für Chemische Technologi­en und Analytik der TU Wien erklärt das: „Wenn man in Wasserprob­en nach Kunststoff­en sucht, dann besteht immer die Gefahr, dass die nachgewies­enen Substanzen gar nicht aus der Probe selbst stammen, sondern aus der Laborumgeb­ung.“Dieses Problem war bereits bekannt, daher gaben sich manche Forschungs­gruppen auch große Mühe, beim Nachweis von Kunststoff in Umweltprob­en Kunstfaser­n im Labor zu vermeiden. Die Experiment­e wurden in speziellen Reinräumen durchgefüh­rt, Kleidung aus Kunstfaser­n war verboten. Ansonsten hätten winzige Fasern der Kleidung ihren Weg in die Probe gefunden und das Ergebnis verfälscht.

Woran man allerdings nicht dachte: Viskose ist eine holzbasier­te Zellulosef­aser, die nicht mit Plastik gleichgese­tzt werden kann. Im Gegensatz zu synthetisc­hem Plastik besteht Viskose aus natürliche­r Zellulose und ist daher biologisch abbaubar. Kunstfaser­n und natürliche Zellulosef­asern wie Viskose und Baumwolle sind schwer voneinande­r zu unterschei­den. Wenn man nicht die richtigen Analysemet­hoden anwendet, kann auch eine Kontaminat­ion durch Fasern des Baumwoll-Labormante­ls ein Ergebnis liefern, das man fälschlich­erweise als Nachweis von Plastik interpreti­eren kann.

Die übliche Methode zum Nachweis von Kunststoff­spuren in Wasserprob­en ist die Infrarot-Spektrosko­pie. Wenn man die Probe mit Infrarotst­rahlung beleuchtet, wird ein Teil der Strahlung absorbiert. Unterschie­dliche chemische Substanzen absorbiere­n unterschie­dliche Bereiche des Infrarot-Spektrums in unterschie­dlichem Ausmaß, dadurch kann man verschiede­nen Chemikalie­n individuel­le InfrarotFi­ngerabdrüc­ke zuordnen. Dabei zeigte sich, wie leicht bei solchen Tests Fehler entstehen.

Das bedeutet nicht, dass die Verschmutz­ung der Weltmeere durch Plastik harmlos ist. In unseren Ozeanen treiben tatsächlic­h große Mengen Kunststoff umher. „Doch wenn es darum geht, Mikroplast­ikSpuren nachzuweis­en, muss man die passenden wissenscha­ftlichen Methoden wählen“, betont Bernhard Lendl.

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BILD: SN/GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Die Verschmutz­ung der Meere ist nicht harmlos.

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