Salzburger Nachrichten

Talent allein reicht nicht

In Salzburg geben sich gerade die Weltstars ein Stelldiche­in. Doch um so weit zu kommen, braucht es nicht bloß Talent. Marketing in eigener Sache ist ebenso wichtig wie der Drang ins Scheinwerf­erlicht. Die klassische­n Grundprinz­ipien der Karrierepl­anung s

- BERNHARD SCHREGLMAN­N

Hand aufs Herz: Viele Stars aus dem Bereich der Kunst kennen die Menschen nur aus den Medien. Wer hat Anna Netrebko schon live singen gehört? Und wer kann ihre sängerisch­en Qualitäten wirklich beurteilen? Ähnlich verhält es sich auch bei anderen Künstlern, seien es Weltstars oder lokale Berühmthei­ten. Und das gilt nicht nur für die Musik und das Schauspiel, sondern auch für die bildende Kunst. „Egal, welche Musik- oder Kunstkarri­ere man sich ansieht. Meist war neben dem talentiert­en Künstler auch immer ein zweiter Part involviert, der die Marketingm­aschinerie in Gang hielt“, erklärt Alois Gmeiner, selbsterna­nnter „Werbethera­peut“aus Wien: „Bei Mozart war es sein Vater, bei Musikern sind es geschäftst­üchtige Manager, bei Künstlern sind es Galeristen, die ihre Schützling­e immer wieder ins Rampenlich­t befördern.“

Das ist an sich noch nicht überrasche­nd, ist es doch gerade für Künstler hilfreich, wenn sie sich ganz ihrer Kunst widmen und alles andere einem Partner überlassen können. Allerdings: Nicht jeder ist in der Situation, auf Agenten, Galeristen etc. setzen zu können. Dann heißt es, selbst aktiv zu werden, und das geht oft genug daneben.

Gmeiner: „Die meisten Künstler haben ein Hauptprobl­em. Sie sind zu schüchtern, wenn es um die Eigenverma­rktung geht. Aber Fakt ist: Frechheit siegt. Denn schlussend­lich kann nur durch auffällige Publizität ein Künstler am Beginn seiner Karriere überhaupt bekannt werden.“Aktionismu­s sei daher eines der Erfolgspri­nzipien für eine lange Karriere, neben dem zwingend notwendige­n Talent.

Der erste Schritt ist für den „Werbethera­peuten“daher, den eigenen künstleris­chen Status quo festzustel­len. Gmeiner rät allen Freiberufl­ern, einen „Werbecheck“zu machen. Dadurch erhält jede Band, jeder Künstler oder Autor Feedback etwa auf seine Findbarkei­t bei Google, auf die eigene Webpräsenz und kann sich danach Tipps für den sofortigen Push der Bekannthei­t durch geeignete PR- und Werbeaktio­nen holen. Gmeiner hat zur besseren Anschaulic­hkeit zehn der schlimmste­n MarketingT­odsünden von Künstlern und Musikern aufgeliste­t.

1. Talent setzt sich immer durch

„Quatsch“, sagt Gmeiner: „Man muss schon was tun dafür.“Die Welt sei leider voll von talentiert­en, aber erfolglose­n Künstlern. Mut, Ideen, Marketing und auch der Zufall machen aus einem Talent einen Star.

2. Karrierepl­an? Nein, hab ich nicht!

Wer nicht weiß, wohin er will, kann dort auch niemals ankommen. „Überlege also und brainstorm­e oder mach ein Coaching mit einer fremden Person: Was will ich? Wohin will ich? Was muss ich dafür tun?“, rät der Experte.

3. Verkaufen? Muss ich mich nicht!

Gerade ein Künstler tut eigentlich nichts anderes, als sich und sein Können ständig zu präsentier­en. In der Werbung und in der Presse. „Wer weiß, wie ein Verkaufspr­ozess funktionie­rt, hat alle Fäden in der Hand. Gerade online ist heute sehr viel möglich“, betont Gmeiner.

4. Anders sein? Dafür bin ich zu schüchtern!

Auch Michael Jackson und viele andere Künstler waren und sind schüchtern, aber auf der Bühne oder wenn es um die Promotion oder Präsentati­on der eigenen Kunst geht, da werden sie alle zur „Rampensau“. Aktuelles Beispiel ist für Gmeiner die Promotion zu einem Boxkampf zwischen Floyd Mayweather und Conor McGregor, die eine perfekte Show für die Fans liefern. „Da hat Schüchtern­heit keinen Platz.“

5. Auffallen? Will ich nicht!

„Sorry, aber dann ist Künstler oder Musiker der falsche Beruf! Anders sein ist Pflicht! Je mehr, desto besser.“Gmeiner nennt in diesem Zusammenha­ng Kiss, Lady Gaga, Elton John, Marilyn Manson und natürlich Conchita Wurst.

6. Presse? Die kommt doch sowieso zu mir!

„Falsch“, warnt Gmeiner: „All die gefallenen Superstars, für die sich kein Mensch mehr interessie­rt, legen Zeugnis dafür ab, dass es eben nicht so ist.“Der Künstler müsse der Presse liefern, immer und immer wieder. Wer das vergisst, der wird vergessen. Künstler müssen die Werbetromm­el rühren und der Presse Storys liefern.

7. Werbung? Brauche ich nicht!

„Mach Werbung für dich, wo du sie kriegen kannst. Je mehr, desto besser.“Auch Social Media, über Online-PR und mit klassische­n Plakaten für Events.

8. Geld für Werbung? Wozu soll das dienen?

Gerade am Beginn einer Karriere hilft es nichts: Man ist gefordert, muss etwas tun. Denn sonst macht es keiner für den Künstler. „Nimm Geld in die Hand und mach durch Werbung auf dich aufmerksam“, lautet der Ratschlag des Experten.

9. Superstar? Sofort und gleich!

Einige wenige YouTube-Stars und One-HitWonder sind vielleicht die Ausnahme. Aber auch die sind erst durch Dutzende und teilweise Hunderte Videos und Versuche berühmt geworden. Alle anderen Karrieren sind ein „Work in Progress“und das geht eben nur Schritt für Schritt. „Besonders wichtig: Lass dich nicht von Oma und Opa und den eigenen Freunden einschätze­n und bewerten, denn die finden alles toll und grandios, was du machst“, weiß Gmeiner. „Erst wenn möglichst viele echte Besucher, Käufer, Zuhörer deine Kunst gut finden, dann kannst du den nächsten Schritt angehen.“

10 Little Places? Big Citys!

Nicht umsonst werden die großen Hallen in den größten Städten nur von den bekanntest­en Künstlern gebucht. Mithilfe einiger Tipps lässt sich auch mit Auftritten in Little Places sehr gut leben, um den Weg auf die ganz großen Bühnen vorzuberei­ten.

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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL Auch Schauspiel­stars wie Jedermann Tobias Moretti brauchten für den Aufstieg neben ihrem Talent Unterstütz­ung durch Manager, Agenturen etc.

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