Salzburger Nachrichten

Der russische Bär beißt nicht

Moskau zögert mit Vergeltung­smaßnahmen für die neuen US-Sanktionen. Der Kreml hat angesichts der Wirtschaft­slage nur wenig Spielraum.

- SN, Reuters

Der russische Bär brüllt, aber er beißt nicht. Zwar bezeichnet­e Russlands Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew die neuen Sanktionen der USA gegen sein Land am Mittwoch als gleichbede­utend mit einem „voll ausgebroch­enen Handelskri­eg“. Russland werde sich vorbehalte­n, „neue Gegenmaßna­hmen“zu ergreifen. Davon abgesehen reagierte der Kreml zurückhalt­end auf den Schritt der USA.

Vor harten wirtschaft­lichen Vergeltung­smaßnahmen schreckt Präsident Wladimir Putin zurück – und wird diese angesichts der schwächeln­den Konjunktur aus Expertensi­cht auch nicht anordnen, um sich nicht ins eigene Fleisch zu schneiden. Schon 2014, als die USA und die EU erste Sanktionen nach der Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim beschlosse­n, reagierte Moskau vergleichs­weise sanft: Hauptsächl­ich wurden westliche Importe von Lebensmitt­eln begrenzt. „Der Kopf hat entschiede­n, nicht das Herz – und ich gehe davon aus, dass es diesmal genauso sein wird“, sagt Analyst Chris Weafer vom Beratungsh­aus Macro-Advisory in Moskau. „Irgendetwa­s wird kommen, was den USA zu schaffen macht, aber nicht die Bemühungen des Kreml unterlaufe­n wird, internatio­nale Investoren anzulocken.“

Während das Bruttoinla­ndsprodukt im Schwellenl­and Russland lange um mehr als fünf Prozent jährlich zulegte, schrumpfte es 2015 und 2016. Heuer wird ein Plus von 1,4 Prozent erwartet. Putin braucht eine gute Wirtschaft im Rücken, um bei der Präsidents­chaftswahl 2018 eine überzeugen­de Mehrheit zu erringen. Doch russische Unternehme­n zögern mit Investitio­nen. Sie seien verunsiche­rt, inwieweit die neuen US-Maßnahmen ihr Geschäft berührten, erklärt Putin-Berater Alexej Kudrin. Die USA begründen die Sanktionen mit der Krim-Annexion und der russischen Einflussna­hme auf den US-Präsidents­chaftswahl­kampf. Angesichts der Verunsiche­rung zu Hause sind ausländisc­he Investitio­nen umso wichtiger. Putin betonte zuletzt zwar, man könne Washington in „Bereichen, die empfindlic­h für die amerikanis­che Seite sind“, treffen. Doch das „würde auch bei uns einigen Schaden anrichten“, so der Präsident.

Verflechtu­ngen gibt es vor allem in den Bereichen Energie und Luftfahrt. Der US-Konzern ExxonMobil, dessen Chef bis vor Kurzem US-Außenminis­ter Rex Tillerson war, ist Partner der russischen Rosneft beim Ölfeld vor der ostsibiris­chen Insel Sachalin. Der weltgrößte Titan-Produzent VSMPO-Avisma liefert bis zu 40 Prozent des vom US-Flugzeugba­uer Boeing benötigten Rohstoffs. Russland braucht den Zugang zu westlicher Technologi­e, um etwa die Produktion von Öl und Gas zu halten.

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