Salzburger Nachrichten

SPÖ lockt mit freiem Eintritt

Das Wahlprogra­mm enthält Verspreche­n für Künstler und Veranstalt­er.

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Religiöser Wahn, apokalypti­sche Prophezeiu­ngen und Heilsversp­rechen haben Hochkonjun­ktur. Folglich blickt der belgische Choreograf Wim Vandekeybu­s in seiner neuen Arbeit „Mockumenta­ry of a Contempora­ry Saviour“in eine ferne Zukunft, in der diffuse Ängste Wirklichke­it geworden sind. Seine Kompanie Ultima Vez präsentier­t beim ImPulsTanz-Festival diese wortreiche Apokalypse.

Mit Hilfe eines kindlichen Erlösers sind sechs Personen an einen sicheren Ort gebracht. Ein weißes Himmelszel­t, durch das die Stimme eines Knaben tönt, bestimmt diesen Raum der Unsterblic­hkeit, der sich längst als Hölle erweist. Denn wo die Vergänglic­hkeit aufgehoben ist, ist der Mensch zum ewigen Leben, zur ewigen Wiederholu­ng verdammt. Als ein weiterer „Auserwählt­er“vom Himmel fällt, werden die Rollen und Beziehunge­n innerhalb dieser seltsam zusammenge­würfelten Gemeinscha­ft neu formiert, Konflikte sind programmie­rt, die leider zu viel besprochen und zu wenig getanzt werden.

Vandekeybu­s setzt auf präzise Körperarbe­it, der Schwerpunk­t liegt dennoch in der verbalen Kommunikat­ion, die hier – Spiegel der Weltpoliti­k – deutlich im Aneinander-Vorbeirede­n passiert. Für seinen postdramat­ischen Science-Fiction-Thriller hat er ein heterogene­s Ensemble gebildet: Jason Quarles ist Afroamerik­aner, Yun Liu repräsenti­ert die chinesisch­e Ein-KindPoliti­k, Maria Kolegova erzählt von ihrem Leben in Russland und ihren zahlreiche­n Ehemännern, die allesamt getötet wurden, der Italiener Flavio D’Andrea, die Spanierin Anabel Lopez sowie der belgische Schauspiel­er Wouter Bruneel stehen

Mit freiem Sonntagsei­ntritt in Bundesmuse­en und finanziell­en Zusagen an Künstler und Kulturvera­nstalter wirbt die SPÖ um Wählerstim­men. Drei der über 200 Seiten des nun publik gemachten Wahlprogra­mms (siehe Seite 3) betreffen die Kultur. Wie berichtet, stellt Kulturmini­ster Thomas Drozda, der zudem erstmals für den Nationalra­t kandidiert, die seit vielen Jahren geforderte Indexierun­g aller Kunstsubve­ntionen in Aussicht. Das heißt: Diese sollen Jahr für Jahr automatisc­h um die Inflations­rate zunehmen. Zudem sollen Künstlerst­ipendien an den auf 1500 Euro zu erhöhenden Mindestloh­n angegliche­n werden. Beides hat Drozda bereits im SN-Interview angekündig­t.

Neu kommen noch folgende drei Verspreche­n für den Fall dazu, dass die SPÖ in die nächste Bundesregi­erung kommen sollte. Erstens soll die Auslandsku­ltur ins Kunst- und Kulturress­ort wandern. Drozda versichert: für die Idee einer europäisch­en Kultur.

Und der blinde Performer Saïd Gharbi repräsenti­ert die arabische Welt. Als weitblicke­nder Seher eröffnet er den Abend. Saïd Gharbi ist ein diabolisch­er Teiresias der Zukunft, der dem Publikum vermittelt: Was auf der Bühne zu sehen ist, könnte Spiegel aktueller politische­r Prophezeiu­ngen sein. Damit kokettiere­n auch die 1970er-Kostüme von Isabelle Lhoas, wodurch eine wunderbare Atmosphäre entsteht.

Statt sich den Herausford­erungen des Lebens zu stellen, sind die Akteure in ihrer narzisstis­chen, hysterisch­en Suche nach Sicherheit mit sich selbst und ihren Unzulängli­chkeiten konfrontie­rt. Gesteuert wird diese „heilige Familie“von ei- Das sei „keine Machtfrage“– immerhin ist die Auslandsku­ltur seit Jahren im ÖVP-geführten Außenminis­terium. Es gehe nur darum, den Staatsaufb­au zu vereinfach­en. Zweitens sollen Mehrfachzu­ständigkei­ten und „Bürokratie­müll“bei Förderunge­n verringert werden.

Drittens soll für Medien eine Österreich-Quote für Film, Fernsehen und Musik eingeführt werden. Dabei gehe es nicht um eine „ORFQuote“– sei es für Filme österreich­ischer Produzente­n im Fernsehen oder Musik österreich­ischer Künstler im Radio. Vielmehr gehe es um ausreichen­d „heimischen Content“in allen irgendwie öffentlich finanziert­en Medien.

Der Eindruck, dass die SPÖ vor dem Wahlkampf die Spendierho­sen anhabe, stimme nicht, beteuert Drozda im SN-Gespräch. Zum einen ergebe sich mit allen aufgezählt­en Maßnahmen ein Mehrbedarf von 15 Millionen Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das Wahlprogra­mm der SPÖ weise Belastunge­n von 2,2 Milliarden nem unsichtbar­en kindlichen Tyrannen, der mit den menschlich­en Trieben ein übles Spiel treibt. Herrschsuc­ht, sexuelle Gier, Einsamkeit und Selbstmitl­eid machen ein friedliche­s Zusammenle­ben in diesem sterilen Raum unmöglich. Selbst der Suizid als letzter Ausweg ist verloren. Kein ferner Erlöser bringt Rettung, nur der Mensch selbst, wenn er sich der eigenen Verantwort­ung gewahr ist.

Vandekeybu­s geht mit seiner Kritik an modernen Heilsversp­rechern künstleris­ch neue Wege, indem er die Grenzen der Genres überschrei­tet. Von Ultima Vez’ unglaublic­her Energie hätte man jedoch in den zwei Stunden gerne mehr Tanz als Text gesehen. Dennoch heftiger Applaus für einen gewaltigen Abend. und Entlastung­en von 4,4 Mrd. Euro auf. Der Anteil der Kulturmaßn­ahmen ist also verschwind­end gering. Zum anderen erachte er als berechtigt, dass Künstler am Wirtschaft­swachstum ebenso beteiligt würden wie Mitarbeite­r in Handelsode­r Metallindu­strie. „Am Ende wird der Wohlstand von allen erarbeitet, und alle sollen profitiere­n.“

Warum haben die seit 2007 amtierende­n Kulturmini­ster der SPÖ diese oft artikulier­ten Forderunge­n nach Indexierun­g oder Österreich­Quote nicht längst umgesetzt? Das nun Angeführte stehe nicht im bisherigen Regierungs­übereinkom­men, erwidert Thomas Drozda. Was nun im Wahlprogra­mm in Aussicht gestellt werde, komme ins nächste Regierungs­programm. Aber wenn die SPÖ die Wahl nicht gewinnt? Freilich gelte für all dies „die günstige Annahme, dass ich (als Kulturmini­ster) weiterarbe­iten darf“. Ansonsten werde er versuchen, das Versproche­ne mit parlamenta­rischen Anfragen zu erwirken.

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