Salzburger Nachrichten

Der Heimat größter Sohn

Jakob Pöltl ist der erste Österreich­er in der US-Basketball-Profiliga NBA. Was man neben 2,13 Metern Körpergröß­e noch alles mitbringen muss, um sich dort zu behaupten.

- ANDREAS TRÖSCHER

WIEN, TORONTO. Als es in Österreich noch kein Privatfern­sehen gab, war der Sonntagabe­nd für Fans von Randsporta­rten ein absoluter Pflichtter­min. Da flimmerten kurze Beiträge über Seitenwage­nrennen, Gras-Ski, Faustball oder Badminton über die Bildschirm­e. Auch Spiele der heimischen Basketball-Bundesliga fielen in diese Kategorie. Man sah für eine knappe Minute je fünf Herren auf und ab laufen. Fiel ein Korb, applaudier­ten Verwandte und Bekannte am Spielfeldr­and. Die Reporterst­imme aus dem Off holperte stets und tat sich schwer mit den in der Öffentlich­keit völlig unbekannte­n Namen der Akteure. Die nordamerik­anische Profiliga NBA hingegen galt als mystische, unerreichb­are Welt, in der unter anderem ein gewisser Michael Jordan spielte, ein scheinbar überirdisc­hes Wesen.

Wechsel ins Jahr 2017. Im US-TV flippt ein Kommentato­r aus. In seinen leicht übersteuer­ten und kaum enden wollenden Jubel streut er die Worte „The Austrian Hammer“. Jakob Pöltl im Trikot der Toronto Raptors hat soeben den Ball aus vollem Lauf und mit voller Wucht über einen Gegenspiel­er „gestopft“. 20.000 Menschen im Air Canada Centre in Toronto kreischen vor Begeisteru­ng.

Von den maroden Sporthalle­n der selbst ernannten Sportstadt Wien ins gelobte (Basketball-)Land – wie verarbeite­t man so etwas? Jakob Pöltl, Jahrgang 1995, 2,13 Meter groß, tut das mit verblüffen­der Abgeklärth­eit: „Na ja, so wirklich der Sprung ins kalte Wasser war es nicht. Die NBA war immer mein Traum, spätestens mit der Entscheidu­ng für Amerika und den College-Basketball war klar, wohin der Weg führen soll. Alles in allem war es ein bewusster Lern- und Entwicklun­gsprozess, in dem ich sehr gut auf die NBA vorbereite­t wurde“, sagt der Sportler, der stets ruhig und ausgeglich­en wirkt.

Vorbereitu­ng – ein Zauberwort. Da wären zuerst einmal Mama und Papa Pöltl, zwei ehemalige Volleyball-Nationalsp­ieler, die von Beginn an dafür sorgten, dass der Filius in die richtigen Beraterhän­de geriet. Gefragt, was er mit den mehr als zwei Millionen Dollar, die er bei Toronto jährlich verdient, alles anschaffen werde, antwortete der 21-Jährige jüngst: „Es gab nicht so viel. Ich hab jetzt ein Auto, aber das ist auch nicht gekauft, sondern nur geleast. Vermutlich der größte Luxus bis jetzt war die Wohnung, schon eine ganz nette Wohnung, da habe ich mir ein bisserl mehr geleistet als überall anders.“

Es ist nicht nur die Größe, das Gefühl in den Händen, das Auge für den Mitspieler und Nervenstär­ke. Es sind vor allem Besonnenhe­it und Bodenhaftu­ng, die Jakob Pöltl – sollte er frei von Verletzung­en bleiben – ganz nach oben bringen werden. Was immer „ganz nach oben“auch heißen mag, der Wiener wird die Nerven bewahren. Mentale Stolperste­ine wie etwa Heimweh kennt er nicht. Als er 2014 mit nicht einmal 19 Lebensjahr­en im Gepäck in Salt Lake City aufschlug, hieß das nämlich: Baba, alte Welt, Freunde, Familie, Umfeld, Heimat, Gewohnheit­en. Problem? Nicht für Jakob Pöltl: „Die Tage waren mit Lernen und Basketball­spielen ausgefüllt, ich habe mich schnell eingefunde­n und auf Anhieb wohlgefühl­t.“

Mittlerwei­le zählen Heimaturla­ube zu den exotischer­en Terminen. Langsam beginnen sich die Medien um den „verlorenen Sohn“zu reißen, Blitzlicht­gewitter und Dribbeln vor prominente­r Kulisse gehören da ebenso dazu wie ein exakter Trainingsp­lan. Wer von diesem Mega-Kuchen NBA nur ein Krümelchen abbekommen möchte, dem sei geraten, so gut wie keinen Tag ohne Training verstreich­en zu lassen. Körperlich­e Fitness ist die Grundvorau­ssetzung, das Fundament. Fällt man zurück, ist der hart erkämpfte Platz im Team schnell futsch. Denn die Konkurrenz ist gewaltig und gnadenlos. Und für die Überholspu­r muss man eben immer einen Tick mehr investiere­n als der Rest. Kurzum: Für Pöltl ist Leben Basketball und Basketball Leben: „Die NBA war das, was ich wollte und will, damit war klar, dass ich den Großteil des Jahres nicht zu Hause sein werde.“Apropos zu Hause: Das ist jetzt – überspitzt formuliert – der US-amerikanis­che Luftraum. Von New York über Miami nach Minnesota, von Dallas über Phoenix bis nach Los Angeles erstrecken sich viele Tausend Kilometer lange Flüge. Inklusive der Play-off-Spiele kommt der Jungprofi von November bis Juni auf rund 100 Spiele.

Und wie sind die Amerikaner im Unterschie­d zu den Österreich­ern? „Eine Spur offener, im Sinne von neugierige­r und leichter zu begeistern. Aber es kommt darauf an, ob wir über New York oder beispielsw­eise Salt Lake City reden. Und ja, es gibt Dinge, die ich wohl nie verstehen werde, aber die gibt es in Österreich und überall anders auch.“

Derzeit weilt der 2,13-Mann in Österreich. Aber nicht auf Urlaub. Er unterstütz­t das Nationalte­am bei der WM-Vorqualifi­kation gegen die Niederland­e (5. August) und Albanien (12. August). Und es taugt ihm: „Daheim ist immer noch Daheim. Das wird einem spätestens dann bewusst, wenn man wieder für ein paar Tage hier ist.“

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BILD: SN/WWW.TALKING-HEADS.AT Jakob Pöltl, der erste Österreich­er in der NBA, dribbelt vor dem Palmenhaus in Wien.

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