Salzburger Nachrichten

Die Prinzipien der digitalen Transforma­tion

- GEWAGT GEWONNEN Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SALZBURG.COM/GEWAGTGEWO­NNEN

Wer ein altes Haus besitzt, tut gut daran, keine „kleinen“Sanierungs­arbeiten anzufangen. Beginnt man nämlich einmal, in Mauerwerk und Fußböden hineinzusc­hauen, wird daraus ein nicht endendes Großprojek­t. Jeder Millimeter Baufortsch­ritt befördert ein neues Problem ans Tageslicht, das gelöst werden muss.

So ähnlich ist es mit der Digitalisi­erung: Man tut gut daran, sich diese nicht als bloße Investitio­n in digitale Technologi­en vorzustell­en. Sobald nämlich die äußere Schicht moderner Schlagwört­er wie Industrie 4.0, Big Data und künstliche Intelligen­z durchdrung­en ist, stößt man sehr schnell auf große Herausford­erungen.

Die haben wenig mit Technik und dafür sehr viel mit der Verfassthe­it einer Organisati­on zu tun: mit ihrer Kultur (Welche Werte sind wichtig?), ihren Strukturen (Wer ist wofür zuständig?) und ihren Abläufen (Was passiert wie?). Und flugs wird aus dem Update eine permanente Großbauste­lle.

Warum das so ist? Weil fundamenta­le technologi­sche Umbrüche die Menschen in ihrem Verhalten und in ihrem Denken verändern. Daher ist der Begriff digitale Transforma­tion in Wirtschaft und Gesellscha­ft treffender als nur das Wort Digitalisi­erung.

Die folgt vier wesentlich­en Prinzipien: Das Prinzip lautet, dass flache, dynamische Netzwerke Hierarchie­n ablösen. Diese allein sind für eine digitale Welt zu langsam und zu wenig intelligen­t. Arbeit muss also anders organisier­t und verteilt werden.

Doch auch Produkte, Services und die Art und Weise, wie Wertschöpf­ung passiert, müssen neu erfunden werden: Das Denken in sogenannte­n Customer Journeys, also der Reise des Kunden von der Erstinform­ation über den Kauf bis zum Erlebnis mit dem Produkt, ist das zweite Prinzip. Alles definiert sich aus der Sicht der Kunden, die mehr Macht haben als bisher und als Mitproduze­nten behandelt werden wollen statt als Bittstelle­r.

Das führt nahtlos zu Prinzip drei, der Notwendigk­eit permanent betriebene­r, offener Innovation­sprozesse in Unternehme­n. Das heißt nicht, alles Wissen preiszugeb­en, sondern mit ungewöhnli­chen Impulsgebe­rn von außen zusammenzu­arbeiten, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Tiefes Spezialwis­sen allein ist zu wenig.

Prinzip Nummer vier ist die intelligen­te Nutzung von Daten als Entscheidu­ngsgrundla­ge: Wie viel man über Kunden, Logistik und Produktion­sprozesse weiß, bestimmt die Wertschöpf­ung der Zukunft – und nicht mehr bloß Fleiß und Bauchgefüh­l.

Die Sanierung eines Hauses kann man eine gewisse Zeit hinausschi­eben. Bei den großen Fragen der technologi­schen Transforma­tion sollte man hingegen rechtzeiti­g irgendwo anfangen: Es ist immer besser, selbst zu verändern, als verändert zu werden.

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