„Schwelle, den Notruf zu wählen, sinkt“
Ein Notarzt im Flachgau hätte nicht viel Arbeit, sagt Rettungskommandant Anton Holzer. Den Ärztemangel spürt man auch im Rettungsdienst.
Ein Notarzt im nördlichen Flachgau hätte wenig Arbeit, sagt Rettungskommandant Anton Holzer. Die notärztliche Versorgung in Salzburg sei sehr gut. Probleme machen dem Roten Kreuz allerdings „Bagatelltransporte“, sagt Holzer. „Die Leute rufen wegen Zahnweh an.“
In Salzburg gab es zuletzt eine politische Diskussion um einen zusätzlichen Notarztstützpunkt. Einzelne Gemeinden im Flachgau fühlen sich unterversorgt. SN: Gibt es in Salzburg zu wenig Notärzte? Holzer: Das ist eine politische Diskussion. Solchen enthält sich das Rote Kreuz prinzipiell. Wir verstehen den Wunsch verschiedener Bürgermeister nach einer besseren notärztlichen Versorgung. Was wir bedauern, ist, dass diese Diskussion sehr unsachlich und mit falschen Zahlen geführt wird. So gibt es im Raum Straßwalchen keinen einzigen Fall, in dem ein Patient eine Stunde auf den Notarzt gewartet hat. Auch keine 45 Minuten. SN: Dann führen wir die Diskussion sachlich. Lässt sich anhand der Zahlen des Roten Kreuzes ein Versorgungsmangel ausmachen? Grundsätzlich ist die notärztliche Versorgung im Bundesland eine sehr gute. Es hat schon Veränderungen gegeben, aber das resultiert daraus, dass die hausärztliche Versorgung ab 23 Uhr nicht mehr zur Verfügung steht. Es hat viele Hausärzte gegeben, die auch in der Nacht zu Notfällen gekommen sind. Wir haben auch analysiert: Von wie vielen echten Notfällen spricht man überhaupt in dem fraglichen Teil des Flachgaus. Das waren in eineinhalb Jahren nur 39. Diese Diskussion ist also nur sinnvoll, wenn man Oberösterreich dazurechnet. Dann kommt man aber auch nicht auf mehr als 100 Notfälle im Jahr. Das heißt, jede dritte Nacht ein Einsatz. SN: Der Notarzt dort würde sich also fadisieren . . . Wir wehren uns nicht gegen einen solchen Stützpunkt, wenn der politische Wunsch da ist und das bezahlt wird. Das haben wir auch den Bürgermeistern schon gesagt. Uns stört an der Diskussion aber Folgendes: Es wird übersehen, dass wir in Salzburg mit 29 Rettungsdienststellen ein sehr dichtes Netz haben.
Wir haben 3000 ausgebildete Rettungssanitäter. Unsere Mitarbeiter sind berechtigt und verpflichtet, lebensrettende Sofortmaßnahmen zu setzen, bis ein Notarzt kommt. Wir sind laut unseren Qualitätskriterien in 90 Prozent aller Fälle in 15 Minuten am Einsatzort. In Straßwalchen schaffen wir das leicht, weil wir da eine Dienststelle mit 150 Mitarbeitern haben. SN: Dennoch: Salzburg ist durch seine Topografie für den Rettungsdienst eine Herausforderung. Gibt es Problemregionen? Es gibt Regionen, wo es nicht möglich ist, eine Rot-KreuzDienststelle zu errichten, auch aufgrund der Fallzahlen. Dort braucht man aber dennoch eine rasche rettungsdienstliche Versorgung. Deshalb haben wir vor Jahren unser First-ResponderSystem aufgebaut. Das sind ausgebildete Rettungssanitäter, die sich in ihrer Freizeit zu Einsätzen alarmieren lassen. Die haben immer ihre Notfallausrüstung dabei und können intubieren und defibrillieren. Massive Blutungen können alle unsere Sanitäter stillen, bis der Notarzt kommt. Mittlerweile haben wir 43 First Responder. In Dienten haben wir die schon sehr lange, auch in Zederhaus gibt es First Responder – aber auch im Großraum Salzburg, zum Beispiel in Grödig. SN: Die Hausärzte rücken in der Nacht weniger aus. Spürt man den Ärztemangel im Rettungsdienst? Die Hemmschwelle, den Notruf 144 zu rufen, ist generell dramatisch gesunken. Was uns auch Probleme bereitet. Wir werden mittlerweile angerufen, wenn jemand Zahnweh hat, damit wir ihn in die Kieferchirurgie fahren. Wir werden gerufen, wenn jemand eine kleine Schnittverletzung am Finger hat, damit der Sanitäter dann ein Pflasterl draufpickt. Diese Bagatelltransporte blockieren die Fahrzeuge für echte Notfälle. SN: Trotzdem kann man dann schwer sagen: Wir kommen nicht . . . Wir weisen die Leute schon darauf hin, dass der Rettungsdienst für Notfälle oder schwere Erkrankungen da ist. Oft verstehen die Leute das nicht. Es wird als Selbstverständlichkeit angesehen. Sie glauben, man kann den Rettungsdienst einfach als Taxi missbrauchen. Aber es zahlt ja auch die Sozialversicherung nicht, wenn man sich von einem Rettungsfahrzeug fahren lässt und eigentlich kaum etwas hat. Da habe ich auch kein Verständnis dafür, dass ein ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Nacht aufstehen muss, um so jemanden ins Spital zu fahren.