„Holt euch, was euch zusteht“
Mit einer einzigen Botschaft zieht SPÖ-Chef Christian Kern in den Wahlkampf. Wiens Bürgermeister Michael Häupl wirft ÖVP-Obmann Sebastian Kurz „Verarschung“vor.
WIEN. Messegelände Wien, Bundesparteirat der SPÖ. Draußen tropische Temperaturen und die obligate Demonstration der Parteijugend, drinnen Eisschrank-Temperaturen dank Klimaanlage. Aber die Stimmung wird bald hitzig, denn Parteichef Christian Kern krempelt nicht nur tatsächlich, sondern auch verbal die Ärmel hoch. „Wenn Sie kein soziales Gewissen haben und Ihnen Ihre Millionen und Ihr Großgrundbesitz wichtiger sind, wählen Sie Schwarz oder Blau“, richtet Kern den Wählern aus. Wer hingegen endlich am Lohnzettel sehen wolle, dass er in einem der reichsten Länder der Erde lebe, müsse die SPÖ wählen, sagt Kern.
„Wir müssen“, hämmert er den 300 Delegierten immer wieder ein, „den Menschen in diesem Wahlkampf einen einzigen Satz sagen: Holt euch, was euch zusteht!“Die Milliarden an Produktivitätsgewinn, die von allen erwirtschaftet würden, dürften nicht in den Taschen „der Millionäre, Großgrundbesitzer und Millionenerben“verschwinden, sondern müssten allen zugutekommen.
Im Unterschied zu seiner Welser Rede, als er im dunklen Anzug nüchtern seinen „Plan A“referiert hatte, gelobt der SPÖ-Chef diesmal in Hemdsärmeln und beinahe leidenschaftlich: „Ich werde kämpfen!“ Er erinnert an frühere Klassenkämpfe, die von der SPÖ gewonnen worden seien, und zeichnet das Bild eines bevorstehenden Kampfes der Kleinen gegen die Großen: „Die anderen“– also ÖVP und FPÖ – „haben mehr Geld als wir und sie haben die Medien hinter sich“, behauptet Kern. „Sie werden von jenen finanziert, die sich die Taschen vollstopfen und gar nicht wissen, wohin mit dem Geld. Aber“, so fährt Kern fort, „auf unserer Seite stehen die Millionen Menschen, die endlich darauf warten, dass sie sich holen können, was ihnen zusteht.“
Der Wahlkampf werde nicht leicht werden, sagt Kern, aber die SPÖ habe ein Programm und nicht nur ein paar flotte Sager. Sie rede auch nicht „Tag und Nacht über Flüchtlinge“, sondern sie wolle das Gesundheits- und Bildungssystem vor der Zerstörung retten und verhindern, dass die Menschen „bis 70 buckeln müssen“.
Während Kern seinen Konkurrenten Sebastian Kurz nur indirekt angreift, feuert Wiens Bürgermeister Michael Häupl eine volle Breitseite gegen den ÖVP-Obmann. Es sei eine „Verarschung“, dass Kurz sein Wahlprogramm erst Ende September vorlege. Der wahre Grund dafür sei die inhaltliche Leere der ÖVP. „Ich mache dem Herrn Bundesminister Kurz nicht seine Jugend zum Vorwurf, denn dafür kann er nichts“, sagt Häupl. Aber Tatsache sei, dass Kurz „gar nichts weiß“. Er rede nur von den Flüchtlingen, tue aber nichts. „Wer hindert Kurz, die Mittelmeerroute zu schließen“, fragt Häupl. „Das ist seine Hack’n, das soll er tun!“
Weiters wirft der Wiener Bürgermeister dem ÖVP-Chef vor, in seiner Zeit als Wiener Gemeinderat nur ein einziges Anliegen geäußert zu haben, nämlich dass auch Junge einen Orden bekommen sollen. „Ich habe mit 25 Jahren andere Sorgen gehabt als einen Orden der Gemeinde Wien“, bemerkt Häupl unter dem Gelächter der Delegierten.
Neben dem verbalen Start in den Wahlkampf hat der Bundesparteirat, das zweithöchste Gremium der SPÖ, noch eine formale Aufgabe, den Beschluss der Bundesliste. Platz eins geht selbstverständlich an Christian Kern, neben dem seine Frau in der Delegiertenbank sitzt. Platz zwei bekommt Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner, eine Quereinsteigerin, die erst seit Kurzem SPÖ-Mitglied ist. Auf Platz drei steht Spitzengewerkschafter Wolfgang Katzian, der Chef der SPÖ-Gewerkschafter und der Privatangestellten-Gewerkschaft.