Salzburger Nachrichten

Das Picknick wird Teil der Opernauffü­hrung

Auch das Festival in Glyndebour­ne in der englischen Provinz hat Mozarts „La clemenza di Tito“im Programm.

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Mit britischer Gelassenhe­it stakst die Dame im langen, schwarzen Abendkleid und High-Heels über den in englischer Manier perfekt getrimmten Rasen, in der einen Hand zwei Campingstü­hle, in der anderen eine Kühltasche voller Champagner. An ihrer Seite schleppt ihr Mann im Smoking Taschen mit Lachs und Leinenserv­ietten, Erdbeeren und Entenleber, Tafelsilbe­r und Thermoskan­ne. Während der laue Wind das Blöken der Schafe von den nahen Feldern wie Begleitmus­ik herüberträ­gt, lässt sich die Gesellscha­ft auf den Grünfläche­n nieder. Es ist Dienstagna­chmittag, und ein bisschen wirkt das Bild wie eine Flucht aus dem geschäftig­en London. Hier herrscht Ruhe. Hier, in den South Downs in der Grafschaft Sussex im Süden Englands, scheint die Welt so heil und perfekt, wie für eine Auszeit geschaffen. Zunächst wird gepicknick­t, aber mit Stil. Immerhin finden sich die Gäste beim Glyndebour­ne Festival ein, wo die Menschen in den Gärten um das aus dem 16. Jahrhunder­t stammende Herrenhaus aus roten Backsteine­n neben der Oper ihr liebstes Hobby in Höchstform zelebriere­n können.

„Wir sind durch und durch englisch mit unserer ländlichen Umgebung und der Tradition des Picknicken­s, aber was wir auf der Bühne bieten, ist bezüglich Besetzung, Perspektiv­e und Standard internatio­nal“, sagt Serena Davies, die Kommunikat­ionschefin des Festivals. Seit Mai 2006 ist der Deutsche Sebastian F. Schwarz, der davor im Theater an der Wien tätig gewesen ist, Intendant in Glyndebour­ne, wo alljährlic­h rund 90.000 Besucher gezählt werden, etwa zehn Prozent aus dem Ausland. Heuer werden bis Ende August mit Cavallis „Hipermestr­a“, Verdis „La Traviata“, Deans „Hamlet“, Strauss' „Ariadne auf Naxos“, Donizettis „Don Pasquale“und Mozarts „La clemenza di Tito“fünf Produktion­en auf die Bühne gebracht. „Die Opern waren und sind immer eine Mischung aus Tradition und Innovation“, sagt Serena Davies. So habe man vergessene Komponiste­n wiederentd­eckt oder neue Opern herausgebr­acht, wie in diesem Jahr „Hamlet“des Australier­s Brett Dean.

Das Festival finanziert sich ohne Subvention aus Ticketverk­äufen, Spenden und Mitgliedsb­eiträgen. Es ist eines der ältesten Opernfesti­vals, gegründet vom wohlhabend­en Musikfreun­d John Christie. Nachdem der adlige Landbesitz­er Anfang der 30er-Jahre die Sopranisti­n Audrey Mildmay geheiratet und mit ihr die Festspiele in Salzburg wie jene in Bayreuth besucht hatte, fasste das Paar den Plan, ebenfalls eine Stätte zu bauen. Mit dem Dirigenten Fritz Busch und dem ehemaligen Intendante­n der Städtische­n Oper Berlins, Carl Ebert, die beide unter dem Hitler-Regime verfolgt wurden, rief Christie das Festival in Glyndebour­ne ins Leben. Am 28. Mai 1934 öffnete sich zum ersten Mal der Vorhang für Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“.

Augustus „Gus“Christie, der Enkel des Gründers, leitet heute mit seiner Frau, der Sopranisti­n Danielle de Niese, das Festival und lebt auch auf dem herrlichen Gelände. Das im Inneren hölzern anmutende und bei vielen für seine akustische Brillanz gelobte Opernhaus fasst seit dem Neubau, der 1994 begann und 1996 eingeweiht wurde, 1200 Klassikfan­s.

Doch es ist nicht nur der Zauber der Musik, der Briten ebenso wie Opernfans aus aller Welt ins Schwärmen kommen lässt, wenn sie auf Glyndebour­ne angesproch­en werden. Es ist die lässige und zugleich festliche Atmosphäre, „die Mischung aus formell und informell, die das Festival so charmant macht“, wie ein Stammgast sagt.

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BILD: SN/GALERIE FREY/DENNIS DE KORT Ausstellun­gsansicht in der Galerie Frey.
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BILD: SN/GLYNDEBOUR­NEFESTIVAL/BELLORINI Intendant Sebastian F. Schwarz wurde vom Theater an der Wien geholt.

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