Salzburger Nachrichten

Alberto Giacometti ringt mit seinem Modell

Stanley Tuccis Regiearbei­t „Final Portrait“charakteri­siert den Schweizer Künstler durch die Augen seines Gegenübers.

- „Final Portrait“, Künstlerpo­rträt, USA 2017. Regie: Stanley Tucci, mit Geoffrey Rush, Armie Hammer, Clémence Poésy, Sylvie Testud. Kinostart: 4. August.

WIEN. Im Jahr 1964 bat der Schweizer Maler und Bildhauer Alberto Giacometti den jungen US-amerikanis­chen Kunstliebh­aber und Autor James Lord, ihm Modell zu sitzen. Geplant waren wenige Tage, doch die Zusammenar­beit wurde zum monatelang­en Ringen ums Bild, bei dem James Lord den Künstler auch privat kennenlern­te. Später schrieb er über diese Monate ein Buch. Stanley Tucci hat daraus einen Film gemacht: „The Final Portrait“ist das Porträt eines Getriebene­n, mit Geoffrey Rush in der Rolle von Giacometti und Armie Hammer als seinem Gegenüber.

„Ich kenne diese Verzweiflu­ng“, sagt Armie Hammer im SN-Interview. „Es geht um die Suche, nicht um das Ergebnis.“ SN: Was hat Sie dazu motiviert, sich für diesen Film wochenlang auf einen Sessel zu setzen? Armie Hammer: Es schien mir einfach entspannen­d – aber im Ernst, vor allem war ich neugierig, unter Stanley Tuccis Regie zu arbeiten, und mit Geoffrey Rush als meinem Gegenüber. Ich wusste, dass Stanley ein guter Regisseur sein würde – und ein phänomenal­er Schauspiel­er ist er sowieso. Und die Gelegenhei­t, im Film eines dermaßen fabelhafte­n Schauspiel­ers mitzuspiel­en, wollte ich auf keinen Fall auslassen und sehen, welche Ratschläge und Anweisunge­n er gibt, wie er sich und uns vorbereite­t. SN: Ihr Filmpartne­r Geoffrey Rush hatte viel Material zu Giacometti, um sich vorzuberei­ten. Wie ging es Ihnen? Auch ich spiele ja eine historisch­e Figur, insofern gab es viel Quellenmat­erial, mit dem ich arbeiten konnte. Ich hatte alle Bücher von James Lord, sowohl die Romane als auch die Sachbücher, ich hatte alle Briefe, die er an seine Mutter geschriebe­n hat, während er in Frankreich war. Und ich hatte seine Tagebuchei­nträge, während er Giacometti Modell saß. Es war fast, als dürfte ich schummeln. SN: Was ist das Besondere, wenn ein Schauspiel­er Regie führt? Es ist, als hätte man eine Geheimspra­che, eine Form der Kommunikat­ion, wie er selbst gern als Schauspiel­er angesproch­en würde. Er weiß genau, was ich als Schauspiel­er hören muss, damit ich optimal arbeiten kann, und das hat alles ungemein effizient gemacht.

Er hat nicht umständlic­h erklärt, was er von mir will, er hat es mir einfach zeigen oder mit wenigen Worten klarmachen können, weil er versteht, wie funktionie­rt. die Schauspiel­arbeit SN: Wie genau hält sich der Film an die historisch­en Tatsachen, was die Dynamik zwischen Alberto Giacometti und James Lord betrifft? Im Laufe der monatelang­en Arbeit an diesem Porträt entwickelt­en die beiden eine wahrhaftig symbiotisc­he Beziehung zueinander, innerhalb derer sie sich aufeinande­r zu verlassen lernten. Es ist nicht so, dass James Lord Giacometti zum Beenden des Porträts manipulier­t hat, in seinem Buch ist das noch genauer beschriebe­n – nein, sie haben gemeinsam daran gearbeitet, es zu Ende zu bringen. Und das sagt Giacometti am Ende auch: „Ich finde wirklich, wir haben das zusammen gemacht.“ Denn so war es auch: Giacometti wäre ohne James Lord wohl heute noch in seinem Atelier und würde die Leinwand neu übermalen und von vorn beginnen. SN: Der Film zeigt, wie es Alberto Giacometti mehr um die Suche geht als um das Resultat. Ist das eine Situation, in der Sie sich künstleris­ch wiedererke­nnen? In den meisten künstleris­chen Bereichen ist es selten, dass ein tatsächlic­hes Resultat am Ende steht, es geht immer um die Suche nach Perfektion. Darin besteht der künstleris­che Prozess: besser werden zu wollen.

Ich glaube, es macht einen guten Künstler nicht aus, an den Punkt zu gelangen, wo man sagt: „Jetzt bin ich der beste Künstler.“Ich glaube, dann hat man aufgehört, als Künstler zu wachsen, weil man nicht mehr hungrig ist. Kino:

„Es war fast so, als dürfte ich schummeln.“

 ??  ?? Giacometti in „The Final Portrait“.
Giacometti in „The Final Portrait“.
 ??  ?? Armie Hammer, Schauspiel­er
Armie Hammer, Schauspiel­er

Newspapers in German

Newspapers from Austria