Alberto Giacometti ringt mit seinem Modell
Stanley Tuccis Regiearbeit „Final Portrait“charakterisiert den Schweizer Künstler durch die Augen seines Gegenübers.
WIEN. Im Jahr 1964 bat der Schweizer Maler und Bildhauer Alberto Giacometti den jungen US-amerikanischen Kunstliebhaber und Autor James Lord, ihm Modell zu sitzen. Geplant waren wenige Tage, doch die Zusammenarbeit wurde zum monatelangen Ringen ums Bild, bei dem James Lord den Künstler auch privat kennenlernte. Später schrieb er über diese Monate ein Buch. Stanley Tucci hat daraus einen Film gemacht: „The Final Portrait“ist das Porträt eines Getriebenen, mit Geoffrey Rush in der Rolle von Giacometti und Armie Hammer als seinem Gegenüber.
„Ich kenne diese Verzweiflung“, sagt Armie Hammer im SN-Interview. „Es geht um die Suche, nicht um das Ergebnis.“ SN: Was hat Sie dazu motiviert, sich für diesen Film wochenlang auf einen Sessel zu setzen? Armie Hammer: Es schien mir einfach entspannend – aber im Ernst, vor allem war ich neugierig, unter Stanley Tuccis Regie zu arbeiten, und mit Geoffrey Rush als meinem Gegenüber. Ich wusste, dass Stanley ein guter Regisseur sein würde – und ein phänomenaler Schauspieler ist er sowieso. Und die Gelegenheit, im Film eines dermaßen fabelhaften Schauspielers mitzuspielen, wollte ich auf keinen Fall auslassen und sehen, welche Ratschläge und Anweisungen er gibt, wie er sich und uns vorbereitet. SN: Ihr Filmpartner Geoffrey Rush hatte viel Material zu Giacometti, um sich vorzubereiten. Wie ging es Ihnen? Auch ich spiele ja eine historische Figur, insofern gab es viel Quellenmaterial, mit dem ich arbeiten konnte. Ich hatte alle Bücher von James Lord, sowohl die Romane als auch die Sachbücher, ich hatte alle Briefe, die er an seine Mutter geschrieben hat, während er in Frankreich war. Und ich hatte seine Tagebucheinträge, während er Giacometti Modell saß. Es war fast, als dürfte ich schummeln. SN: Was ist das Besondere, wenn ein Schauspieler Regie führt? Es ist, als hätte man eine Geheimsprache, eine Form der Kommunikation, wie er selbst gern als Schauspieler angesprochen würde. Er weiß genau, was ich als Schauspieler hören muss, damit ich optimal arbeiten kann, und das hat alles ungemein effizient gemacht.
Er hat nicht umständlich erklärt, was er von mir will, er hat es mir einfach zeigen oder mit wenigen Worten klarmachen können, weil er versteht, wie funktioniert. die Schauspielarbeit SN: Wie genau hält sich der Film an die historischen Tatsachen, was die Dynamik zwischen Alberto Giacometti und James Lord betrifft? Im Laufe der monatelangen Arbeit an diesem Porträt entwickelten die beiden eine wahrhaftig symbiotische Beziehung zueinander, innerhalb derer sie sich aufeinander zu verlassen lernten. Es ist nicht so, dass James Lord Giacometti zum Beenden des Porträts manipuliert hat, in seinem Buch ist das noch genauer beschrieben – nein, sie haben gemeinsam daran gearbeitet, es zu Ende zu bringen. Und das sagt Giacometti am Ende auch: „Ich finde wirklich, wir haben das zusammen gemacht.“ Denn so war es auch: Giacometti wäre ohne James Lord wohl heute noch in seinem Atelier und würde die Leinwand neu übermalen und von vorn beginnen. SN: Der Film zeigt, wie es Alberto Giacometti mehr um die Suche geht als um das Resultat. Ist das eine Situation, in der Sie sich künstlerisch wiedererkennen? In den meisten künstlerischen Bereichen ist es selten, dass ein tatsächliches Resultat am Ende steht, es geht immer um die Suche nach Perfektion. Darin besteht der künstlerische Prozess: besser werden zu wollen.
Ich glaube, es macht einen guten Künstler nicht aus, an den Punkt zu gelangen, wo man sagt: „Jetzt bin ich der beste Künstler.“Ich glaube, dann hat man aufgehört, als Künstler zu wachsen, weil man nicht mehr hungrig ist. Kino:
„Es war fast so, als dürfte ich schummeln.“