Immer mehr Unfälle auf dem Glockner
5000 Menschen stehen jährlich auf Österreichs höchstem Berg: dem Großglockner. Die SN sprachen mit den Glockner-Bergrettern aus Tirol, Kärnten und Salzburg über die Gründe.
Bergretter Peter Tembler ist kaum zu bremsen, je länger er vom Großglockner erzählt: „Diese Woche hatten wir jeden Tag mindestens einen Einsatz. Am Montag haben wir einen Bergsteiger aus einer Spalte geholt. Am Mittwoch mussten wir sogar drei Mal ausrücken.“Tembler ist Ortsstellenleiter der Bergrettung Kals. Jenes Teams, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn auf der Tiroler Seite des Großglockners Alpinisten in Bergnot geraten. Was auf Österreichs höchstem Berg in den vergangenen Wochen besonders oft der Fall zu sein scheint. „Ja, der Eindruck stimmt, wir haben in letzter Zeit viele Einsätze“, bestätigt Tembler.
Allein am Mittwoch wurden die Tiroler Glockner-Retter zu drei Einsätzen gerufen: Eine Dreierseilschaft aus Polen überlebte mit viel Glück einen 200-Meter-Absturz. Die Männer im Alter von 36 bis 39 Jahren waren beim Abstieg im Bereich des Glocknerleitls verunglückt. Ebenfalls im Glocknerleitl waren zwei Rumänen in Bergnot geraten. Die Männer irrten um 23 Uhr ohne Steigeisen herum. Auch ein niederländischer Vater war mit seiner Tochter am Stüdlgrat in Bergnot geraten. „Der Mann hat versucht, seine Steigeisen anzulegen, ist ausgerutscht und, weil er nicht angeseilt war, einfach runtergerutscht“, erzählt Tembler.
Die Gründe für die Häufung der Einsätze auf dem 3798 Meter hohen Berg sind vielfältig. Laut Tembler, der seit 30 Jahren Bergführer ist, ist die Situation beim Glocknerleitl schwierig: „Durch die knappe Schneelage ist alles ausgeapert. Das Eis und die Steine kommen raus.“
Auch auf Kärntner Boden, wo die Bergrettung Heiligenblut für den Glockner zuständig ist, weiß man um das Problem: „Der Klimawandel hat den Berg verändert. Es gibt Spalten, wo vorher keine waren. Die Leute müssen sich noch besser erkundigen“, sagt Harald Rader, Ortsstellenleiter der Bergrettung Heiligenblut.
Doch statt Vorsicht würden immer mehr Bergsteiger eine Mischung aus Leichtsinn, Unwissenheit, Hochmut und fehlendem Gefahrenbewusstsein mitbringen.
„Wir treffen auf Leute, die keine Ahnung haben, wie sie mit Steigeisen gehen. Sie probieren einfach herum oder sichern nicht richtig ab“, sagt Tembler. So auch am Mittwoch. Als die Bergretter den Verletzten aus einer Gletscherspalte bargen, beobachteten sie, wie rund um sie andere Alpinisten erst ihre Sicherungsseile aus dem Rucksack holten. „Erst nachdem etwas passiert war, hat das bei vielen einen Schalter umgelegt“, sagt Tembler.
Rund 5000 Menschen stehen jährlich auf dem höchsten Berg des Landes. Dass der Glockner ein „Must-have“unter den Gipfeln ist, weiß auch der Ortsstellenleiter der Bergrettung im salzburgischen Fusch, Paul Hasenauer: „Auf der Salzburger Seite haben wir sicher weniger Einsätze als die Kollegen in Tirol oder Kärnten. Aber generell gilt: Der Bergtourismus liegt im Trend und somit zieht es immer mehr Menschen in die Berge.“Sein Kärntner Kollege Rader fügt hinzu: „Die landläufige Meinung ist, dass der Glockner eh kein Problem ist. Ein Modeberg, den schon mal jeder gemacht haben muss.“
So sei zwar bei vielen die nötige Ausrüstung, aber nicht die nötige Ausdauer vorhanden. „Es ist mittlerweile Standard, dass die Bergsteiger überfordert sind. Die sagen: ,Wir sind eh sicher unterwegs, wir sichern alles ab.‘ Aber Zeit ist auch ein Sicherheitsfaktor. Und wenn man 13 Stunden bis zum Glocknerleitl braucht, dann geht das nicht“, sagt der Kalser Ortsstellenleiter.
Warum sich unerfahrene Bergsteiger nicht einen Bergführer nehmen? Tembler überlegt: „Ja, das frag ich mich auch. Vielleicht empfinden das manche als unehrenhaft.“Pause. „Oder sie wollen Geld sparen. Lieber wird das dann für neue Alufelgen als für die eigene Sicherheit am Berg ausgegeben.“
„Leute, die keine Ahnung haben, wie man mit Steigeisen geht.“Peter Tembler, Bergrettung Kals