Gott macht keinen Urlaub
Immer mehr Touristen suchen in den Ferien Seelsorge. Ob am Campingplatz, auf dem Berg oder im Schweizerhaus – spirituellen Rat gibt es überall.
WIEN. Seit 44 Jahren Pfarrer, 33 davon Flughafenseelsorger und immer öfter Ratgeber für Urlauber: Der liberal eingestellte Wiener Pfarrer Joseph Farrugia trägt selten Hemd und Kollar, seinen Job nimmt er aber auch locker gekleidet ernst. Der Geistliche ist Tourismusseelsorger – er hat für die Probleme der Menschen in ihrem Österreich-Urlaub ein offenes Ohr.
„Je hektischer die Welt und das Leben werden, desto mehr ist guter Rat gefragt“, erklärt der Pfarrer den Boom, der in den letzten Jahren rund um die Tourismusseelsorge entstanden ist. Bei 5,16 Millionen Katholiken im Lande kommt es auch vor, dass er ab und zu von Einheimischen besucht wird.
Als bundesweite Anlaufstelle gilt das Referat für Tourismusseelsorge mit Sitz in Klagenfurt. Roland Stadler ist Leiter der Einrichtung der katholischen Kirche, die es seit den 1970ern gibt. Je nach Urlaubsregion variiert die Art der seelischen Unterstützungsangebote. In den Erholungsgebieten wie Salzburg oder Tirol gibt es beispielsweise Campingplatzmessen, in den Städten mehrsprachige Wortgottesdienste. Zwei Mal im Jahr hält der Pfarrer sogar Messen im Schweizerhaus, die vor allem Schausteller ansprechen. Davor fanden diese in der Autodromhalle statt – welche als Lokalität aber zu klein wurde.
Als Urlauber gibt es in ganz Österreich verschiedene Möglichkeiten, seinen Problemen auf spirituellem Wege auf den Grund zu gehen. Jodok Müller, Pfarrer der Gemeinde Lech am Arlberg, kümmert sich hauptsächlich um Wintertouristen. Obwohl er viel mit den Themen Kälte, Dunkelheit und Tod konfrontiert wird, sieht er die Welt positiv. Er ist überzeugt: Musik hat eine heilsame Wirkung auf die Seele. So lassen sich viele Probleme besser ertragen und auch lösen. Ohne dabei pathetisch klingen zu wollen, meint er: „Die Seele schwingt, ähnlich wie Musik, in einer Resonanz. Hört das auf, geht es uns nicht wirklich gut.“Die immer mehr werdenden Trostsuchenden aller Altersklassen und Glaubensrichtungen zeigen, dass er mit dieser Meinung nicht allein ist. Angebote in diesem Bereich verdoppeln sich im Winter sogar. Will man seinem Kummer in sonniger Höhe auf den Grund gehen, bieten sich Bergmessen und Almsegnungen an, die besonders im Südwesten des Landes florieren. Obwohl Tourismusseelsorge viele Facetten hat, stellt sich immer noch eine Frage: Wieso haben Menschen in ihrem Urlaub Sorgen?
Pfarrer Farrugia erklärt das Phänomen so: „Egal wohin ein Mensch flieht, Sorgen kann man nicht zu Hause lassen.“Oft würden Probleme im Alltagsstress unterdrückt und kämen erst im Urlaub hoch. In einem Moment der Ruhe, ohne Partner oder Kinder, sei man viel empfänglicher für Ratschläge und Lösungen fänden sich leichter.
Der Geistliche befolgt diese goldene Regel streng und gönnt sich täglich seine Ruhestunden. Bei seinen vielen Einsatzbereichen durchlebt der 69-Jährige einen stressigen Alltag. Um seine Akkus wieder aufzuladen, setzt er sich jeden Abend mit einem Glas Whisky und einer Zigarre an einen Ort der Stille. Mit klassischer Musik gelingt es ihm, völlig abzuschalten und danach entspannt ins Bett zu gehen.
Schlaf ist dem Malteser besonders wichtig. Bei seiner täglichen Siesta lässt er sich von niemandem stören: „Ich sage immer zu meinen Assistentinnen: Selbst wenn der Vatikan anruft, dass ein neuer Papst gebraucht wird – der Pfarrer schläft!“