SPÖ verteidigt Wahlärzte
Wir erinnern uns noch gut an die Forderung von SPÖGesundheitssprecher Spindelberger nach Abschaffung des Wahlarzt-Systems. Wie bei so vielen Themenkreisen herrscht auch in Sachen Gesundheitspolitik große Uneinigkeit in den Reihen der Sozialdemokratie.
Im Gespräch mit SNChefredakteur Perterer verteidigt die SPÖ-Gesundheitsministerin diese Sonderform der Zweiklassenmedizin. Die große Nachfrage nach Wahlärzten, so Dr. Rendi-Wagner, könne nicht durch eine Bestrafung der Patienten eingedämmt werden. Tatenlos wird zugeschaut, wie die Anzahl der Privatpraxen explodiert. Derzeit sind bereits über 10.000 Wahlärzte tätig.
Gab es 1960 pro 100.000 Einwohner nur 160 Mediziner, stehen jetzt für diese Größeneinheit bereits 517 Ärzte zur Verfügung. Eine entsprechende Aufstockung der Kassenärzte wurde nicht vollzogen. Von unseren 45.000 Ärzten (Zahnbehandler ausgenommen) haben nur 7200 Verträge mit den Sozialversicherungen. 100.000 Österreicher müssen daher mit 83 Vertragsärzten auskommen.
Zum Vergleich ein Blick nach Bayern. Dort gehen die Verantwortlichen mit den Krankenversicherten nicht so knausrig um, denn ein Drittel der Mediziner ist in die kassenärztliche Vereinigung eingebunden. Pro 100.000 Bayern gibt es 195 (!) Vertragsärzte. So viel zur Behauptung heimischer Sozialversicherer, den Patienten stünden ausreichend Vertragsärzte zur Verfügung. Komplett verschwiegen wird der bürokratische Mehraufwand durch das boomende Wahlarzt-System. Die von Patienten übermittelten Honorarnoten müssen von den Angestellten der Sozialversicherungen händisch bearbeitet werden. Zuerst muss geprüft werden, ob der Patient im Quartal nicht schon einen Vertragsarzt der entsprechenden Fachrichtung in Anspruch genommen hat. War das der Fall, dann gibt es keinen Kostenersatz. In weiterer Folge wird darauf geachtet, ob die verrechnete Leistung im Honorarkatalog für Vertragsärzte überhaupt enthalten ist. Erst in diesem Fall können 80 Prozent des Tarifs rückerstattet werden. Um auf eine wahre Kostenrechnung zu kommen, wäre der erhöhte Personalaufwand für das Bearbeiten der Wahlarzt-Rechnungen von den Kassen auszuweisen. Im Gegensatz dazu können die elektronisch übermittelten Abrechnungen der Vertragsärzte im Ruck-zuck-Verfahren erle- digt werden. Bei den Gebietskrankenkassen erfolgt die gebündelte Abrechnung der Kassenärzte nur alle drei Monate. Überspitzt formuliert werden die Verrechnungsbeamten mit jeder Wahlarzt-Honorarnote in die Bürokratie-Steinzeit zurückgeworfen. Der hohe Personalstand heimischer Krankenkassen ist damit einzementiert. Dr. Wolfgang Geppert 1010 Wien