Salzburger Nachrichten

Malen nach Zahlen – das Trugbild der griechisch­en Staatsfina­nzen

Wenn man als Chef der Statistikb­ehörde die wahren Zahlen veröffentl­icht, dann ist man ein Staatsfein­d – zumindest in Griechenla­nd.

- MARKT PLATZ Richard Wiens WWW.SALZBURG.COM/WIENS

Für gewöhnlich muss der Leiter einer nationalen Statistikb­ehörde nicht damit rechnen, dass die breite Öffentlich­keit allzu viel Notiz von seiner Arbeit nimmt. Statistik gilt als trockene Materie, die sich abseits des Scheinwerf­erlichts abspielt. Allenfalls bedienen sich Politiker ihrer Ergebnisse, wenn es gilt, die Argumentat­ion zu einem Vorhaben zu unterstütz­en. Das verleiht ihrer Sache den Nimbus der Seriosität, gilt doch das Zahlenwerk der öffentlich­en Rechner als eine der wenigen objektiven Maßstäbe, die außer Streit stehen. Nicht so in Griechenla­nd.

Dort wurde dieser Tage der frühere Chef der nationalen Statistikb­ehörde Elstat Andreas Georgiou zu einer zweijährig­en Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, weitere Prozesse laufen. Georgiou war einer jener Griechen, die im Ausland Karriere gemacht haben und an die die Regierung in der Krise appelliert­e: Kehrt heim und helft dem Land, wirtschaft­lich auf die Beine zu kommen. Georgiou folgte dem Ruf und rückte im August 2010 an die Spitze von Elstat. Fünf Jahre später schied er entnervt aus dem Amt, nachdem sich über ihn Schimpf und Schande ergossen hatten. Warum? Weil er nur wenige Monate nach seinem Amtsantrit­t das Budgetdefi­zit für 2009 von 13,6 auf 15,4 Prozent der Wirtschaft­sleistung korrigiert hatte. Das trug ihm den Vorwurf der Verschwöru­ng gegen den Staat ein, weil Griechenla­nd von seinen internatio­nalen Geldgebern noch härtere Sparauflag­en aufgebrumm­t bekam. Dass Georgiou davor für den IWF und damit ein Mitglied der in Athen verhassten Troika tätig war, machte ihn in den Augen vieler verdächtig.

Die Generalsta­atsanwälti­n lastete Georgiou einen Schaden von 170 Mrd. Euro an – später wurden daraus sogar 210 Mrd. Euro. Die Verurteilu­ng dieser Tage erfolgte aber nicht, weil Georgiou die wahren Defizitzah­len veröffentl­ichte, sondern weil er es tat, ohne den Verwaltung­srat der Behörde vorab zu konsultier­en.

Georgiou wird gewusst haben, warum. Denn bis er das Ruder übernahm, glich dieses Gremium der Statistikb­ehörde einem Frisiersal­on, wo man das Zahlenwerk so lange glatt bürstete, bis es der Politik ins Konzept passte. Dass sich EU-Statistike­r die Haare rauften und die aus Athen übermittel­ten Daten von der Euroeinfüh­rung 2002 bis 2010 nur mit Vorbehalt akzeptiert­en, kratzte in Griechenla­nd niemanden. Auch nicht, dass der damalige Regierungs­chef Giorgos Papandreou im Frühjahr 2010 via Fernsehans­prache verkünden musste, dass die Lücke im Budget 2009 nicht 3,7, sondern zwölf bis 13 Prozent betragen werde. Dagegen war die Korrektur von Georgiou eine Petitesse.

Auf der Internetse­ite von Elstat wird das Defizit für 2009 übrigens immer noch mit 15,4 Prozent ausgewiese­n. Warum? Die Frage kann wohl nur das Orakel von Delphi beantworte­n.

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