Malen nach Zahlen – das Trugbild der griechischen Staatsfinanzen
Wenn man als Chef der Statistikbehörde die wahren Zahlen veröffentlicht, dann ist man ein Staatsfeind – zumindest in Griechenland.
Für gewöhnlich muss der Leiter einer nationalen Statistikbehörde nicht damit rechnen, dass die breite Öffentlichkeit allzu viel Notiz von seiner Arbeit nimmt. Statistik gilt als trockene Materie, die sich abseits des Scheinwerferlichts abspielt. Allenfalls bedienen sich Politiker ihrer Ergebnisse, wenn es gilt, die Argumentation zu einem Vorhaben zu unterstützen. Das verleiht ihrer Sache den Nimbus der Seriosität, gilt doch das Zahlenwerk der öffentlichen Rechner als eine der wenigen objektiven Maßstäbe, die außer Streit stehen. Nicht so in Griechenland.
Dort wurde dieser Tage der frühere Chef der nationalen Statistikbehörde Elstat Andreas Georgiou zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, weitere Prozesse laufen. Georgiou war einer jener Griechen, die im Ausland Karriere gemacht haben und an die die Regierung in der Krise appellierte: Kehrt heim und helft dem Land, wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Georgiou folgte dem Ruf und rückte im August 2010 an die Spitze von Elstat. Fünf Jahre später schied er entnervt aus dem Amt, nachdem sich über ihn Schimpf und Schande ergossen hatten. Warum? Weil er nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt das Budgetdefizit für 2009 von 13,6 auf 15,4 Prozent der Wirtschaftsleistung korrigiert hatte. Das trug ihm den Vorwurf der Verschwörung gegen den Staat ein, weil Griechenland von seinen internationalen Geldgebern noch härtere Sparauflagen aufgebrummt bekam. Dass Georgiou davor für den IWF und damit ein Mitglied der in Athen verhassten Troika tätig war, machte ihn in den Augen vieler verdächtig.
Die Generalstaatsanwältin lastete Georgiou einen Schaden von 170 Mrd. Euro an – später wurden daraus sogar 210 Mrd. Euro. Die Verurteilung dieser Tage erfolgte aber nicht, weil Georgiou die wahren Defizitzahlen veröffentlichte, sondern weil er es tat, ohne den Verwaltungsrat der Behörde vorab zu konsultieren.
Georgiou wird gewusst haben, warum. Denn bis er das Ruder übernahm, glich dieses Gremium der Statistikbehörde einem Frisiersalon, wo man das Zahlenwerk so lange glatt bürstete, bis es der Politik ins Konzept passte. Dass sich EU-Statistiker die Haare rauften und die aus Athen übermittelten Daten von der Euroeinführung 2002 bis 2010 nur mit Vorbehalt akzeptierten, kratzte in Griechenland niemanden. Auch nicht, dass der damalige Regierungschef Giorgos Papandreou im Frühjahr 2010 via Fernsehansprache verkünden musste, dass die Lücke im Budget 2009 nicht 3,7, sondern zwölf bis 13 Prozent betragen werde. Dagegen war die Korrektur von Georgiou eine Petitesse.
Auf der Internetseite von Elstat wird das Defizit für 2009 übrigens immer noch mit 15,4 Prozent ausgewiesen. Warum? Die Frage kann wohl nur das Orakel von Delphi beantworten.