Hohe Mieten treiben Londoner auf die Hausboote
Immer mehr Menschen leben in der Metropole auf dem Wasser. Diese Alternative hat mitunter mehr zu bieten als nur günstiges Wohnen.
Eine Badewanne am Kaminofen, eine geräumige Wohnküche und ein Doppelbett mit Blick auf den Sternenhimmel: Das Zuhause von Charlie McLaren bietet einiges, von dem viele Menschen träumen. Im Bauch eines ehemaligen Frachtschiffs hat sich der 67Jährige einen modernen Wohnraum eingerichtet, in dem er mit seiner Freundin lebt. In Sichtweite der Londoner Tower Bridge schaukelt seine 32 Meter lange „VIOD II“auf der Themse an einem Steg der Hermitage Moorings. Neben dem des Pensionisten liegen noch 17 weitere historische Boote. Darin wohnen Familien, junge Berufstätige und Pensionisten wie McLaren.
Für Tausende ist das Leben auf dem Wasser in London zu einer beliebten Alternative zu teuren Mietwohnungen geworden. An diesem Anlegeplatz jedoch geht es den Menschen um mehr als um Mietpreise. „Es ist etwas Besonderes, mitten in London all seine Nachbarn beim Namen zu kennen“, sagt Charlie McLaren. Im Sommer fahren manchmal alle mit ihren Booten zusammen ans Meer oder treffen sich zum Grillen. Darüber hinaus betreiben die Bewohner eine Charity-Organisation, die Kindern Wissen über die Themse vermittelt.
Der Hauptgrund, aus dem McLaren vor fast 50 Jahren zum ersten Mal auf ein Boot zog und vor drei Jahren seine „VIOD II“kaufte, ist jedoch nicht die besondere Gemeinschaft. „Es gibt mir ein Gefühl von Freiheit“, sagt er. Für dieses Leben mit seiner Partnerin zahlt der ehemalige Journalist im Monat umgerechnet rund 1000 Euro. Inbegriffen sind Gemeindesteuer, Heiz- und Warmwasserkosten, Instandhaltungsarbeiten und eine Verwaltungsgebühr für den Ankerplatz.
An Land zahlen Anwohner in gleicher Lage laut Immobilienagentur Foxtons schon für ein Zimmer mit integrierter Küche und kleinem Bad rund 1700 Euro Miete pro Monat. „Für die meisten Menschen spielen die hohen Immobilienpreise eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, auf ein Hausboot zu ziehen“, sagt Fran Read vom Canal and River Trust. Die Organisation verwaltet den Großteil der Wasserwege Londons, abgesehen von der Themse. „Zwischen 2012 und 2016 ist die Zahl der Bootsbesitzer um 57 Prozent in die Höhe geschossen“, sagt Read über die Entwicklung in der Hauptstadt. Knapp 60 Prozent der rund 3600 Boote würden als Wohnungen genutzt.
Der Trend hat in London vor allem Auswirkungen auf jene Bootsbewohner, die – anders als McLaren – keinen festen Ankerplatz haben. Denn das Gesetz schreibt vor, dass sie mindestens alle zwei Wochen ihren Standort wechseln müssen. In London sei das Gerangel um Anlegeplätze daher enorm, sagt Read.
Mit den Schwierigkeiten, die diese Situation für die umherziehenden Bootsbewohner mit sich bringt, beschäftigt sich die Freiwilligenorganisation National Bargee Travellers Association. Sie existiert seit 2009 und hat heute rund 750 Mitglieder. Nick Brown, der selbst auf einem Boot wohnt, ist einer der Ansprechpartner dort. Im Vorjahr betreute er 70 umherziehende Bootsbewohner. Sie haben beispielsweise Schwierigkeiten mit den Behörden oder suchen Orte mit der nötigen Infrastruktur wie Frischwasser und Abfallentsorgung. Der Großteil lebt in deutlich einfacheren Verhältnissen als McLaren. Oft sind die Boote eng und nur mit einer kleinen Kochnische und einem funktionellen Bad ausgestattet. Fußbodenheizung wie an Bord der „VIOD II“ist die Ausnahme.
Und dann sind da noch die Hürden, die alle nehmen müssen, die in London auf dem Wasser leben – egal ob mit festem Ankerplatz oder ohne. „Das Leben auf einem Boot kommt mit ganz eigenen Herausforderungen“, erklärt Fran Read. Man müsse beispielsweise die Wassertanks füllen, die Toiletten leeren und eine Menge Instandhaltungsarbeiten durchführen, sagt sie weiter. „Das kann so zeitaufwendig werden wie ein Halbtagsjob. Man sollte sich gut überlegen, ob man dafür bereit ist.“
Organisation hilft jenen, die keinen festen Ankerplatz haben