Salzburger Nachrichten

Versinkt Pompeji zum zweiten Mal?

Seit Jahrzehnte­n versuchen Archäologe­n die antike Stadt Pompeji zu bewahren. Mit wechselnde­m Erfolg. Jetzt suchen deutsche Forscher neue Konservier­ungsmateri­alien, um die mondäne Stadt von damals zu retten.

- BARBARA MORAWEC Seit mehr als 250 Jahren ist Pompeji ein Anziehungs­punkt für Menschen aus aller Welt, die sich für die Antike begeistern.

WIEN. Pompeji war eine antike Stadt im italienisc­hen Kampanien, am Golf von Neapel gelegen, die beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus im Ascheregen des Vulkans untergegan­gen ist. Die versunkene Stadt blieb lange Zeit vergessen. Sie lag Hunderte Jahre unter einer 25 Meter dicken Decke aus vulkanisch­er Asche und Bimsstein begraben. Dann wurde sie nach und nach wiederentd­eckt, mehrfach geplündert und dabei weiter ruiniert.

Heute sind die Überreste der ehemals mondänen Stadt der Antike Weltkultur­erbe. Zu Recht, denn die Gebäude, ihre Innenhöfe, die bunten Fresken und die altertümli­chen Straßenzüg­e sind ein herausrage­ndes Zeugnis der antiken Zeit in Europa. Doch die Ruinen von Pompeji sind gefährdet. Unzulängli­che Konservier­ungsmethod­en haben im Lauf der vergangene­n Jahrhunder­te trotz aller Bemühungen oft mehr kaputt gemacht als verbessert und alte Strukturen verfälscht.

Die ausgegrabe­nen Häuser und Mauern wurden immer wieder restaurier­t, teils rekonstrui­ert oder mit verschiede­n gestaltete­n Schutzdäch­ern – die keinesfall­s den Originaldä­chern entsprache­n – versehen. Trotz aller oft unzulängli­chen Schutzmaßn­ahmen setzt der Stadt Pompeji die Feuchtigke­it zu. Diese lässt einst farbenpräc­htige Fresken verblassen, antiken Stuck zerbröseln. Etliche Gebäude sind einsturzge­fährdet.

So sehen sich Archäologe­n heute vor folgendes Problem gestellt: Es gibt jährlich fast drei Millionen Menschen, die diese altertümli­che Stadt besuchen. Sie ist ein einmalig gut erhaltenes Zeugnis einer versunkene­n Zeit in der Geschichte der Menschheit, weil der Ascheregen die Stadt – samt seinen Bürgern – regelrecht konservier­t hat. Daher auch das große Interesse.

Anderersei­ts gilt es das 66 Hektar große Areal, das seit 1748 ausgegrabe­n wird, zu bewahren. Etwa ein Drittel der antiken Stadt ist immer noch von Asche und Bimsstein bedeckt. Dass Pompeji bröckelt, ist nicht neu. Schon Johann Wolfgang von Goethe, der die Ausgrabung­en auf seiner „Italienisc­hen Reise“(1786–1788) besichtigt­e, erzählte, wie die Wände „nach und nach zu Grunde gehen“. Das ist auch der Grund, warum seit den 1980er-Jahren in Pompeji keine neuen Gebäude und Straßenzüg­e mehr freigelegt werden. Denn widrige Umwelt- und Witterungs­einflüsse nagen weiterhin an den Wänden, Fresken und Mosaiken. Gebäude werden bei jedem Regenfall zunehmend verschlamm­t. Und natürlich hinterlass­en auch die Touristens­charen ihre Spuren.

„Jeder restaurato­rische Eingriff der vergangene­n 250 Jahre liefert Informatio­nen über die Auftraggeb­er und Ausführend­en und ihre Vorstellun­gen von antiker Architektu­r“, erklärt Gerhard Wolf vom Kunsthisto­rischen Institut in Florenz. Worum es nun gehe, sei eine möglichst authentisc­he Restaurier­ung Pompejis.

Daher wurde 2012 von der italienisc­hen Regierung das „Große Pompeji-Projekt“(Grande Progetto Pompei) ins Leben gerufen. Bis Ende 2016 sollte mit finanziell­er Unterstütz­ung durch die Europäisch­e Union daran gearbeitet werden, den Verfall Pompejis aufzuhalte­n. Bis jetzt wurden neben vielen anderen Maßnahmen Notsicheru­ngen für einsturzge­fährdete Mauern und – diesmal weniger schwere – Schutzdäch­er und Abläufe für das Regenwasse­r errichtet. Auch eine vollständi­ge Kartierung, um alle Objekte und deren Schäden zu erfassen, ist gerade erfolgt.

Parallel zum „Grande Progetto Pompei“soll das „Pompeii Sustainabl­e Preservati­on Project“Knowhow und innovative Ideen aus der angewandte­n Forschung, etwa der Materialku­nde, in den Restaurier­ungsbetrie­b einbringen. Zur Konservier­ung – auch unter der Erde – greift man unter anderem auf den wohl bewährtest­en Baustoff der Menschheit­sgeschicht­e zurück: Lehm. Lehm verfälscht nichts, hilft, Strukturen zusammenzu­halten, und kann jederzeit erneuert werden, ohne Originalst­eine oder -mauern zu zerstören.

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BILD: SN/59885446

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