Versinkt Pompeji zum zweiten Mal?
Seit Jahrzehnten versuchen Archäologen die antike Stadt Pompeji zu bewahren. Mit wechselndem Erfolg. Jetzt suchen deutsche Forscher neue Konservierungsmaterialien, um die mondäne Stadt von damals zu retten.
WIEN. Pompeji war eine antike Stadt im italienischen Kampanien, am Golf von Neapel gelegen, die beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus im Ascheregen des Vulkans untergegangen ist. Die versunkene Stadt blieb lange Zeit vergessen. Sie lag Hunderte Jahre unter einer 25 Meter dicken Decke aus vulkanischer Asche und Bimsstein begraben. Dann wurde sie nach und nach wiederentdeckt, mehrfach geplündert und dabei weiter ruiniert.
Heute sind die Überreste der ehemals mondänen Stadt der Antike Weltkulturerbe. Zu Recht, denn die Gebäude, ihre Innenhöfe, die bunten Fresken und die altertümlichen Straßenzüge sind ein herausragendes Zeugnis der antiken Zeit in Europa. Doch die Ruinen von Pompeji sind gefährdet. Unzulängliche Konservierungsmethoden haben im Lauf der vergangenen Jahrhunderte trotz aller Bemühungen oft mehr kaputt gemacht als verbessert und alte Strukturen verfälscht.
Die ausgegrabenen Häuser und Mauern wurden immer wieder restauriert, teils rekonstruiert oder mit verschieden gestalteten Schutzdächern – die keinesfalls den Originaldächern entsprachen – versehen. Trotz aller oft unzulänglichen Schutzmaßnahmen setzt der Stadt Pompeji die Feuchtigkeit zu. Diese lässt einst farbenprächtige Fresken verblassen, antiken Stuck zerbröseln. Etliche Gebäude sind einsturzgefährdet.
So sehen sich Archäologen heute vor folgendes Problem gestellt: Es gibt jährlich fast drei Millionen Menschen, die diese altertümliche Stadt besuchen. Sie ist ein einmalig gut erhaltenes Zeugnis einer versunkenen Zeit in der Geschichte der Menschheit, weil der Ascheregen die Stadt – samt seinen Bürgern – regelrecht konserviert hat. Daher auch das große Interesse.
Andererseits gilt es das 66 Hektar große Areal, das seit 1748 ausgegraben wird, zu bewahren. Etwa ein Drittel der antiken Stadt ist immer noch von Asche und Bimsstein bedeckt. Dass Pompeji bröckelt, ist nicht neu. Schon Johann Wolfgang von Goethe, der die Ausgrabungen auf seiner „Italienischen Reise“(1786–1788) besichtigte, erzählte, wie die Wände „nach und nach zu Grunde gehen“. Das ist auch der Grund, warum seit den 1980er-Jahren in Pompeji keine neuen Gebäude und Straßenzüge mehr freigelegt werden. Denn widrige Umwelt- und Witterungseinflüsse nagen weiterhin an den Wänden, Fresken und Mosaiken. Gebäude werden bei jedem Regenfall zunehmend verschlammt. Und natürlich hinterlassen auch die Touristenscharen ihre Spuren.
„Jeder restauratorische Eingriff der vergangenen 250 Jahre liefert Informationen über die Auftraggeber und Ausführenden und ihre Vorstellungen von antiker Architektur“, erklärt Gerhard Wolf vom Kunsthistorischen Institut in Florenz. Worum es nun gehe, sei eine möglichst authentische Restaurierung Pompejis.
Daher wurde 2012 von der italienischen Regierung das „Große Pompeji-Projekt“(Grande Progetto Pompei) ins Leben gerufen. Bis Ende 2016 sollte mit finanzieller Unterstützung durch die Europäische Union daran gearbeitet werden, den Verfall Pompejis aufzuhalten. Bis jetzt wurden neben vielen anderen Maßnahmen Notsicherungen für einsturzgefährdete Mauern und – diesmal weniger schwere – Schutzdächer und Abläufe für das Regenwasser errichtet. Auch eine vollständige Kartierung, um alle Objekte und deren Schäden zu erfassen, ist gerade erfolgt.
Parallel zum „Grande Progetto Pompei“soll das „Pompeii Sustainable Preservation Project“Knowhow und innovative Ideen aus der angewandten Forschung, etwa der Materialkunde, in den Restaurierungsbetrieb einbringen. Zur Konservierung – auch unter der Erde – greift man unter anderem auf den wohl bewährtesten Baustoff der Menschheitsgeschichte zurück: Lehm. Lehm verfälscht nichts, hilft, Strukturen zusammenzuhalten, und kann jederzeit erneuert werden, ohne Originalsteine oder -mauern zu zerstören.