Salzburger Nachrichten

„Alle waren im Dienst, aber keiner war da“

Wie viele Polizisten fehlen wirklich im Bundesland? Darüber streitet die Politik. Ein Polizist berichtet, wie er den Mangel in den Polizeiins­pektionen verwaltet.

- Ein dienstführ­ender Polizist

Sommerzeit ist Urlaubszei­t. Das spüren Beamte der Polizei, die mit Diensteint­eilungen zu tun haben, derzeit ganz besonders. Mit einem solchen sprachen die SN über den Personalma­ngel bei der Exekutive. Der Polizist wollte anonym bleiben. Zurzeit falle es ihm besonders schwer, Dienste einzuteile­n. „Wir wissen nicht mehr, wo wir die Leute zuerst hinschicke­n sollen“, sagt er. 144 Planstelle­n hat die Polizei im Bezirk Pongau. Das wurde jüngst durch eine parlamenta­rische Anfrage der SPÖ publik. Demnach waren von den 144 Stellen nur 131 besetzt.

Tatsächlic­h sei der Mangel noch viel größer, sagt der Polizist. „Die Erhebung war im April. Da hatten wir noch einige Polizisten, die uns aus anderen Bezirken zugeteilt waren.“Von Dezember bis April bekommen die Polizeiins­pektionen innergebir­g Verstärkun­g vom Norden des Landes.

Jetzt, im Sommer, stünden dem Bezirk nur 117 Polizisten zur Verfügung. „Da werden aber auch die Beamten des Kommandos mitgezählt. Für Nachtdiens­te auf den Inspektion­en haben wir nur 107 Leute zur Verfügung.“In einzelnen Gebieten sei der Mangel besonders zu spüren. Im Ennspongau etwa gebe es statt der 34 Sollstelle­n im August nur 24 zugeteilte Polizisten. „Da sind aber auch welche dabei, die sind in Dauerkrank­enstand, einzelne sind zu Spezialein­heiten zugeteilt oder auf Frontex-Einsatz.“

In der Nacht gebe es für den Bereich ohnehin nur eine Sektorstre­ife, die Inspektion­en seien unbesetzt. Auch am Tag sehe es nicht viel besser aus. „Es gab einzelne Tage, da war in Radstadt, in Eben, in Flachau und in Altenmarkt nur jeweils ein Polizist auf den Inspektion­en. Wenn einer auf Streife fahren will, muss er in einer der anderen Inspektion­en anrufen, ob ein Kollege Zeit hat.“

Fallweise würden die Kollegen dann auch allein fahren. Das sei aber eine heikle Angelegenh­eit. „Wenn du eine Waffenbere­chtigung überprüfst und jemand dabei durchdreht, dann wird dir dann ein Vorwurf gemacht, weil du dort allein warst.“

Einzelne Inspektion­en seien auch am Tag nur noch schwer zu besetzen, sagt der Polizist. „Eine Inspektion im Bezirk war zuletzt in einem Monat neun Mal für 24 Stunden unbesetzt. Wenn da ein Bürger zur Inspektion kommt, wird er zur nächstgröß­eren verbunden, die dann eine Streife schickt – wenn sie Zeit hat.“

Der Polizist erklärt auch, wie der Mangel zustande kommt. So seien in der betreffend­en Inspektion zwar fünf Beamte zugeteilt. „An einem Tag war einer der Beamten zuvor im Nachtdiens­t und konnte deshalb keinen Dienst mehr machen. Zwei seiner Kollegen sind Teil der Einsatzein­heit, die bei Großverans­taltungen eingesetzt wird. Eine solche war an diesem Tag. Und zwei weitere Kollegen sind Ausbildner und standen ebenfalls nicht zur Verfügung. Es waren also alle vier im Dienst, aber keiner war da.“

Das sei auch der Grund, warum der Polizist mit den Zahlenspie­len über Soll- und Iststände wenig anfangen könne. „Der ganze Betrieb ist nur mehr mit Überstunde­n aufrechtzu­erhalten. Ich selbst mache etwa 1000 Mehrstunde­n im Jahr.“Es sei ihm klar, dass das Teil seiner Arbeit sei. Polizisten hätten sogar die Pflicht, Überstunde­n zu machen.

Als dienstführ­ender Beamter habe er dennoch Probleme, die Dienste einzuteile­n. „Wenn ein Polizist angerufen wird, weil er einspringe­n muss, darf er nicht absagen. Das führt dazu, dass die Leute mittlerwei­le gar nicht mehr ans Telefon gehen.“Er habe sogar Verständni­s dafür. „Wenn du heute bei einer 50er-Feier bist und die Dienststel­le ruft an, dann musst du weg. Am gesellscha­ftlichen Leben nehmen wir schon lange nicht mehr teil.“

„Kollegen gehen nicht ans Telefon, damit sie nicht eingeteilt werden.“

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